Ein widersprüchliches Bild kennzeichnet die tarifpolitische Entwicklung im ersten Halbjahr 2007. Einerseits gelang den Gewerkschaften die Durchsetzung von Tarifabschlüssen mit deutlichen Reallohnsteigerungen. In der chemischen Industrie und in der Metall- und Elektroindustrie konnten die Gewerkschaften an die positive Entwicklung des Vorjahres anknüpfen und Tarifabschlüsse durchsetzen, die den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum weitgehend ausschöpften.
Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren sah sich die IG BAU zu einem regulären Streik in ihrer Hauptbranche, dem Bauhauptgewerbe, gezwungen. Nachdem zunächst ostdeutsche Arbeitgeberverbände ein erstes Tarifergebnis nicht akzeptierten, lehnten das niedersächsische und schleswig-holsteinische Baugewerbe das anschließend durch Schlichtung gefundene Ergebnis ab. Damit steht nicht nur der Tarifabschluss 2007, sondern im Grundsatz auch das gesamte Tarifgefüge im Bauhauptgewerbe einschließlich des tariflichen Mindestlohnes nach dem Entsendegesetz zur Disposition.
Ein weiteres Mal gelang der IG BCE in diesem Jahr in ihrer Hauptbranche, der chemischen Industrie mit ihren rund 560.000 Beschäftigten, eine zügige Tarifrunde. Erstmals gab es aber während der Verhandlungen von Teilen der mittelständischen Chemiearbeitgeber erheblichen Widerstand, so dass sich die Gewerkschaft zu größeren betrieblichen Protestaktionen und Demonstrationen veranlasst sah.
Der Konflikt bei der Deutschen Bahn AG hatte eine tarifpolitische, aber mindestens in gleichem Maße auch organisationspolitische Bedeutung. Bereits seit Jahren hatte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) darauf hingearbeitet, die Interessen ihrer Mitglieder, vornehmlich der Lokomotivführer, unabhängig von den beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA als eigenständige Tarifvertragspartei zu vertreten.
Der Konflikt bei der Deutschen Telekom AG reicht bis weit vor das Jahr 2007 zurück. Vor dem Hintergrund anhaltender Marktanteilsverluste vor allem in der Festnetzsparte suchte das Management bereits seit längerem nach Möglichkeiten, die Kosten in diesem Bereich drastisch zu senken und setzte dabei vor allem auf Personalmaßnahmen.
Die IG Metall stellte in dieser Tarifrunde unter Beweis, dass sie - immer noch - in der Lage ist, in ihrer Kernbranche einen Tarifabschluss zu realisieren, der für ihre Mitglieder eine deutliche Reallohnsteigerung bedeutet und der die eine zentrale Zielsetzung der Arbeitgeber, nämlich unterhalb des Abschlusses des Vorjahres zu bleiben, wirksam durchkreuzte.
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