Die deutsche Wirtschaft bewegte sich im 1. Halbjahr 2009 mit hoher Geschwindigkeit in die tiefste Krise der Nachkriegszeit. Der weltweite wirtschaftliche Absturz traf den "Exportweltmeister" Deutschland härter als die meisten anderen hoch entwickelten Volkswirtschaften. Umso auffälliger ist die Tatsache, dass die Tarifpolitik keineswegs mit gleicher Dynamik in einen Abwärtsstrudel gerissen wurde.
Im Bauhauptgewerbe lag der letzte Abschluss knapp zwei Jahre zurück. Im Mai 2007 erreichte die IG BAU nach knapp dreiwöchigem Streik eine dreistufige Tariferhöhung. Der Vertrag lief zum 31.3. dieses Jahres aus. In dieser Tarifrunde forderte die IG BAU am 22.1. eine Erhöhung der Einkommen um 6 % sowie eine weitere Angleichung des Ost- an das West-Niveau.
Die Tarifrunden im Einzelhandel gestalteten sich in den vergangenen Jahren stets sehr schwierig. Zumeist gelang der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ein Abschluss nur mit großer Mühe und nach langwierigen Auseinandersetzungen. So konnte die Tarifrunde des Jahres 2007 erst nach über einjährigen Verhandlungen im Sommer vergangenen Jahres beendet werden. Angesichts der tiefen Rezession war daher auch in diesem Jahr nicht unbedingt mit raschen Ergebnissen zu rechnen.
Im Jahr 2008 konnte die IG Metall mit dem Tarifabschluss in der Stahlindustrie vom Februar und der darin enthaltenen Tarifsteigerung von 5,2 % die Taktzahl für die gesamte Tarifrunde 2008 vorgeben. Hintergrund war der lang anhaltende, außerordentliche Stahlboom, der zum damaligen Zeitpunkt noch ungebrochen schien und der IG Metall eine starke Verhandlungsposition verschaffte. Die Verhältnisse waren im Jahr 2009 wie ausgewechselt.
Das Gebäudereinigerhandwerk ist für die zuständige Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) seit vielen Jahren ein schwieriges Tarifgebiet. Im Gebäudereinigerhandwerk sind in Deutschland rund 32.200 Betriebe mit rund 860.000 Beschäftigten tätig. Gut 2.500 Betriebe sind im Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks zusammengeschlossen und repräsentieren rund 87 % des Umsatzes wie auch der Beschäftigten dieser Branche.
Das Tarifgeschehen des öffentlichen Dienstes hat sich durch die Aufspaltung des früher einheitlich geregelten Tarifgebiets grundlegend verändert. Für Bund und Gemeinden einerseits und die Länder andererseits gelten mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Tarifvertrag für die Länder (TV-L) zwei getrennte (wenngleich inhaltlich ähnliche) Tarifwerke, die bislang aufgrund unterschiedlicher Laufzeiten nicht zeitgleich verhandelt werden (können). In dieser Tarifrunde stand die Neuverhandlung des TV-L auf der Tagesordnung, während der TVöD noch bis zum Jahresende läuft.
Im Sozial- und Erziehungsdienst kam es 2009 zu einem lang anhaltenden Tarifkonflikt um die Einkommensgestaltung und Fragen der Arbeitsbedingungen und Gesundheitsbelastungen. Ausgangspunkt des Einkommensstreits war die Vereinbarung des neuen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahr 2005 und des Tarifvertrages für die Länder (TV-L) im Jahr 2006: Hier stand die Vereinbarung einer neuen Entgeltordnung (EGO) noch aus, die die allgemeinen Tätigkeitsbeschreibungen zu den vereinbarten tariflichen Entgeltgruppen enthalten soll.
Bleiben Sie informiert: Neueste Forschungsergebnisse und Infos zu den Themen Mitbestimmung, Arbeit, Soziales, Wirtschaft. Unsere Newsletter können Sie jederzeit abbestellen.
Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.