Quelle: WSI
TarifarchivTarifrunde 2018: Bauhauptgewerbe
Die Baubranche profitiert seit Jahren von der guten Konjunktur in Deutschland und den niedrigen Zinsen, die insbesondere den Eigenheimbau sehr attraktiv machen. Während viele Baufirmen Umsatzrekorde verzeichnen, ist die Branche zunehmend vom Fachkräftemangel betroffen. Dementsprechend ist es ein Kernanliegen der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), den Bauberuf attraktiv zu halten und die Beschäftigten durch kräftige Lohnerhöhungen angemessen am Boom der Branche zu beteiligen.
Forderung
Vor diesem Hintergrund beschloss die Bundestarifkommission der IG BAU am 25. November 2017 in Frankfurt am Main ihr Forderungspaket für die Tarifrunde 2018 des Bauhauptgewerbes. Für die mehr als 700.000 Beschäftigten am Bau wurden im Einzelnen folgende Forderungen aufgestellt (IG BAU 2017):
eine Einkommenserhöhung von 6,0 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten;
die Einführung eines vollen 13. Monatseinkommens für die gesamte Branche;
die Vergütung von Wegezeit als Arbeitszeit, um mobil arbeitende Beschäftigte nicht länger zu benachteiligen;
eine attraktivere Gestaltung der Ausbildung im Baugewerbe durch die Übernahme sämtlicher Ausbildungskosten durch die Betriebe (wie z. B. Fahrt zur Berufsschule);
eine weitere Umsetzung der bereits vereinbarten Angleichung der Ost- an die Westlöhne bis zum Jahr 2022.
Nachdem im Herbst 2017 bereits nach separaten Verhandlungen eine kräftige Erhöhung der tariflichen Mindestlöhne am Bau vereinbart wurde, ging es nun darum, die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für alle Bau-Beschäftigten zu verbessern.
Verhandlungen
Die bundesweit geführten Verhandlungen zwischen der IG BAU und den beiden Arbeitgeberverbänden der Bauwirtschaft, dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), begannen im Februar 2018 und zogen sich über 3 erfolglose Verhandlungsrunden und eine Schlichtung über insgesamt vier Monate hin. Die erste Verhandlungsrunde im Februar wurde dabei dadurch belastet, dass der ZDB nicht von allen regionalen Mitgliedsverbänden ein vollständiges Verhandlungsmandat erhalten hatte (IG BAU 2018a).
In der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar/Anfang März legten die Arbeitgeber dann ein erstes Angebot vor, wonach bei einer Laufzeit von 12 Monaten die Löhne um 1,65 Prozent angehoben worden wären plus weitere 1,35 Prozent für die Beschäftigten in Ostdeutschland. Zu den übrigen Forderungen der IG BAU gab es hingegen kein Angebot. Angesichts der guten Konjunktur am Bau sowie der bereits in anderen Branchen, wie der Metall- und Elektroindustrie, vereinbarten deutlich höheren Tarifzuwächse, lehnte die IG BAU dieses Angebot als vollkommen unzureichend ab (IG BAU 2018b).
Nach einer dritten Verhandlungsrunde Mitte April erklärte die IG BAU schließlich das Scheitern der Verhandlungen und rief zugleich die Schlichtung an. Nach dem Schlichtungsabkommen im Bauhauptgewerbe ist für diesen Fall die Schlichtung zwingend vorgesehen. Die Schlichtungsstelle setzt sich aus einem unparteiischen, aber stimmberechtigten Vorsitzenden sowie jeweils 4 Beisitzern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zusammen. Als unabhängiger Schlichter wurde der frühere Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement berufen, der seit dem Jahr 2007 bereits in 4 Tarifrunden des Bauhauptgewerbes diese Funktion übernommen hatte.
Nach dem offiziellen Beginn der Schlichtung am 7. Mai hatten die Tarifvertragsparteien der bestehenden Schlichtungsordnung zufolge maximal 14 Tage Zeit, um zu einem Ergebnis zu kommen, bevor die Friedenspflicht endete. Während der Schlichtung organisierte die IG BAU jedoch eine große Solidaritätskundgebung mit mehr als 1.500 Baubeschäftigten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und ihre Bereitschaft für weitergehende Arbeitskampfmaßnahmen unter Beweis zu stellen.
Ergebnis
Nachdem bereits eine 1. Schlichtungsrunde ergebnislos vertagt wurde, konnte in der 2. Runde am 11./12. Mai schließlich folgendes Ergebnis erreicht werden (Tabelle 1):
Tabelle 1: Schlichtungs- und Tarifergebnis im Bauhauptgewerbe
Erhöhung der Löhne und Gehälter inklusive Angleichung der Ostlöhne |
West |
Ost |
ab 1. Mai 2018 |
+ 5,7 % |
+ 6,6 % |
ab 1. Juni 2019 |
+ 0,8 % |
|
Einmalzahlungen |
||
zum 1. November 2018 |
250 Euro |
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zum 1. Juni 2019 |
600 Euro |
|
zum 1. November 2019 |
250 Euro |
250 Euro |
Sonderzahlung (13. Monatseinkommen) |
Ausdehnung des Tarifvertrages über das 13. Monatseinkommen auf das gesamte Bundesgebiet |
|
ab 1. Januar 2020 |
103 GTL* |
18 GTL* |
ab 1. Januar 2021 |
113 GTL* |
36 GTL* |
ab 1. Januar 2022 |
123 GTL* |
54 GTL* |
Ausbildungsvergütung (1.- 3. Ausbildungsjahr) |
||
ab 1. Mai 2018 |
+ 65 Euro |
+ 60 Euro |
ab 1. Mai 2018 |
60 Euro im Monat für Fahrt- und Übernachtungskosten beim Besuch von Landes- oder Bundesklassen |
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Wegezeit |
Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die innerhalb von 15 Monaten eine Regelung finden soll |
|
Laufzeit |
26 Monate bis zum 30. April 2020 |
* GTL = Gesamttarifstundenlöhne
Quelle: WSI-Tarifarchiv
Die Tarifkommission der IG BAU hat das Schlichtungsergebnis am 26. Mai mit großer Mehrheit angenommen (IG BAU 2018c). Nachdem Ende Mai auch die Arbeitgeberverbände dem Schlichterspruch zugestimmt haben, wurde dieser zum gültigen Tarifergebnis. Das Bauhauptgewerbe hat damit die bislang höchste, in 2018 wirksame, Tariferhöhung vereinbart. Dies wurde nicht zuletzt dadurch erreicht, dass, anders als in den meisten anderen Branchen, die Tariferhöhung bei einer mehrjährigen Laufzeit nicht auf zwei Stufen verteilt, sondern der größte Teil der Erhöhung bereits am Anfang gezahlt wird.
WSI-Tarifarchiv, Tarifpolitischer Halbjahresbericht 2018 (pdf)