Quelle: WSI
TarifarchivTarifrunde 2005: Bauhauptgewerbe
Im Bauhauptgewerbe einigten sich die Tarifparteien am 21.6. auf einen Tarifabschluss. Damit ging ein 15-monatiger Verhandlungsprozess zu Ende, denn die Lohn- und Gehaltstarifverträge waren bereits Ende März 2004 ausgelaufen.
Der letzte zweijährige Abschluss, der im Frühjahr 2002 nach einem harten Arbeitskampf durchgesetzt worden war, hatte Einkommenssteigerungen um 3,2 % ab September 2002 und 2,4 % ab April 2003 gebracht.
Angesichts der anhaltenden Strukturkrise der Branche - seit Mitte der neunziger Jahre hatte das Bauhauptgewerbe die Hälfte der gewerblichen Arbeitsplätze verloren - hatte die Tarifkommission auf eine Kündigung der Tarifverträge verzichtet. Statt vorrangig über Lohnerhöhungen zu verhandeln, sollten Gespräche über Beschäftigungssicherung geführt werden. Außerdem sollten Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, von Lohndumping und ruinösem Wettbewerb durchgesetzt werden. Die Arbeitgeber begrüßten den Beschluss der IG BAU und erklärten sich zu Gesprächen bereit. Am 8.3.2004 fand ein erstes Spitzengespräch statt. Beim zweiten Verhandlungstermin am 27.4.2004 legte die Gewerkschaft folgende Eckpunkte zur Beschäftigungssicherung vor:
- Jahresarbeitszeitregelung mit zwingender Absicherung über die Sozialkassen des Baugewerbes und einen festen Monatslohn.
- Zahlung einer Prämie für Betriebe mit ganzjähriger Beschäftigung.
- Zahlung eines Beitrages der Arbeitgeber zur aktiven Bekämpfung der illegalen Beschäftigung.
Nach insgesamt drei Spitzengesprächen fand am 28.6.2004 die erste reguläre Verhandlungsrunde statt. Weitere Verhandlungen folgten am 16.7. und 14.9. Annäherungen gab es keine. Die Arbeitgeber beharrten u.a. auf einer Öffnungsklausel, die eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 42 Stunden ermöglichen sollte. Nach einer längeren Pause vereinbarten die Tarifparteien Anfang November, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Doch bereits nach zwei Terminen (17.11. und 14.12.) wurden sie wieder ausgesetzt, weil keine Einigung über die Gestaltung der Arbeitszeit möglich war. Darüber hinaus forderten die Arbeitgeber einen Malus bei Zeitüberschreitungen im Leistungslohn und deutliche Kürzungen im Tarifvertrag. Ein erneuter Anlauf am 9.2. und 18.3.2005 endete wiederum ergebnislos. Die IG BAU hatte neben den Themen Arbeitszeit und Beschäftigungssicherung für 2005 auch eine Einkommenserhöhung von 50 € monatlich eingebracht, was rund 2 % auf den Facharbeiterlohn bedeutete. Ein Thema war auch die "Gewerbekonkurrenz", das heißt konkret, Lohndruck durch unterschiedlich hohe Tarife in eng beieinander liegenden Branchen. Die Arbeitgeber förderten z.B. eine generelle Öffnungsklausel zur Anwendung von Malerlöhnen bei bestimmten Bauaufträgen. Nach langer Pause folgte am 20./21.6. eine letzte Verhandlungsrunde, die dann auch zu einem Ergebnis führte. Die wichtigsten Elemente dieser Einigung umfassten:
- Nach 17 (!) Nullmonaten für September 2005 bis März 2006 Einmalzahlungen von jeweils 30 € pro Monat.
- Ab 1.4.2006 Anhebung der Löhne und Gehälter in Westdeutschland um 1,0 % mit einer Laufzeit von 12 Monaten.
- Keine Anhebung der Ausbildungsvergütungen und der Löhne und Gehälter im Osten.
- Verlängerung der Arbeitszeit ab 2006 von 39 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich; bei einer Sommerarbeitszeit (7 Monate) von 41 Stunden und einer Winterarbeitszeit (5 Monate) von 38 Stunden
- Senkung der verschiedenen Mindestlöhne in West und Ost ab 1.9.2005 zwischen 1,4 und 2,1 %. In den Jahren 2006 und 2007 erfolgt eine Anhebung um 0,10 € jeweils zum 1.9.
- Neue Leistungslohnregelung ohne die bisherige Tariflohngarantie, stattdessen Einführung einer Bonus- und Malusregelung.
- Wegfall der bauspezifischen Ausgleichsbeträge beim Urlaubsgeld.
Angesicht heftiger gewerkschaftsinterner Kritik vor allem in Ostdeutschland wurde der Abschluss noch einmal nachgebessert. Es wurde vereinbart, die 1 %ige Lohnerhöhung ab 1. April 2006 auch in den neuen Bundesländern zu zahlen. Dafür soll der Mindestlohn 2 für Fachwerker im Osten bis zum Ende der Laufzeit 2008 nicht erhöht werden, sondern bei 9,80 € bleiben.
Es wurde eine Erklärungsfrist bis zum 29.7.2005 vereinbart. Das Inkrafttreten wurde davon abhängig gemacht, dass alle die regionalen Arbeitgeberverbände zustimmen, die dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes das Verhandlungsmandat entzogen hatten. Auch muss zuvor die Rechtsverordnung über die gesenkten Mindestlöhne erlassen worden sein. Zum Redaktionsschluss dieses Berichtes war noch nicht absehbar, ob der Tarifabschluss tatsächlich in Kraft treten würde.
Die IG BAU bewertete den Abschluss als "zukunftsfähigen Kompromiss für Beschäftigungssicherung". Ihr Vorsitzender Klaus Wiesehügel räumte "empfindliche Einschnitte im Lohnbereich" ein, ohne die aber eine Einigung nicht möglich gewesen wäre. Der Flächentarifvertrag im Baugewerbe habe seine "bisher schwerste Bewährungsprobe" bestanden. Positiv wurde insbesondere bewertet, dass die Bauarbeiter aus der ALG II-Falle herausgeholt und der Mindestlohn für weitere drei Jahre gesichert werden konnte.
Die Arbeitgeber sahen einen "großen Teil, aber längst nicht alle Verhandlungsziele" erreicht und zeigten sich deshalb zufrieden. Der ZDB bezifferte die Gesamtentlastung des Abschlusses für alle Baubetriebe mit 3,0 %. Ob die erreichte Kostenentlastung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Baubetriebe ausreichen werde, hätten die Mitgliedsverbände zu entscheiden.
Auszug aus: WSI-Tarifbericht 1. Halbjahr 2005