WSI GenderDatenPortal: Bildung: Frauen und Männer in den 25 häufigsten Ausbildungsberufen 2023
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Frauen und Männer nehmen im Jahr 2023 Ausbildungen in unterschiedlichen Berufen auf. Junge Frauen absolvieren in Deutschland nicht nur seltener eine berufliche Ausbildung im dualen System (1), sondern konzentrieren sich dabei noch stärker als Männer auf eine begrenzte Auswahl an Ausbildungsberufen: Auf die 25 häufigsten Ausbildungsberufe, in denen 2023 eine Ausbildung begonnen wurde, entfallen zwei Drittel (66 Prozent) aller von Frauen abgeschlossenen Ausbildungsverträge, aber nur 60 Prozent aller von Männern abgeschlossenen Verträge (Tab. 1).
Der Vergleich der 25 häufigsten Ausbildungsberufe in Deutschland belegt eindrücklich, dass die meisten dieser Berufe (15 von 25) entweder überwiegend von Frauen oder überwiegend von Männern ergriffen werden:
- Die Hälfte der Ausbildungsberufe ist (stark) von Männern dominiert, der Frauenanteil liegt hier stets unter 30 Prozent (nämlich zwischen 3 Prozent und 26 Prozent) (vgl. Grafik 1, blaue Balken). Bei diesen Berufen handelt es sich überwiegend um technische oder mechanische Berufe in Industrie und Handwerk. Besonders in den Berufsbereichen Mechatronik, Elektronik, Industrie- und Anlagenmechanik sowie Fachinformatik bleiben Männer fast ausschließlich unter sich. Besonders häufig betrifft dies Berufe, in denen zugleich auch jeweils besonders viele Männer eine Ausbildung beginnen (d.h. Berufe mit über 10.000 männlichen Azubi-Neuzugängen pro Jahr): Unter den (Kraftfahrzeug-)Mechatroniker*innen, Fachinformatiker*innen, Elektroniker*innen sowie Anlagen- und Industriemechaniker*innen liegt der Frauenanteil gerade einmal zwischen zwei und zehn Prozent.
- Nur in 3 Ausbildungsberufen stellen hingegen Frauen die deutliche Mehrheit bei den Azubi-Neuzugängen, mit einem Frauenanteil von mindestens 70 Prozent (vgl. Grafik 1, orangene Balken). Bei diesen Berufen handelt es sich um den Kaufmann bzw. die Kauffrau für Büromanagement sowie Berufe im Bereich der medizinischen Versorgung. Im medizinischen Bereich werden Berufsausbildungen sogar fast ausschließlich von Frauen ergriffen: 95 Prozent der neuen Auszubildenden zu medizinischen und 96 Prozent der zahnmedizinischen Fachangestellten sind Frauen.
- 10 der 25 häufigsten Ausbildungsberufe in Deutschland können mit einem mittleren Frauenanteil zwischen 30 Prozent und 70 Prozent als geschlechterunspezifisch gelten (vgl. Grafik 1, graue Balken). Zu den geschlechterunspezifischen Berufen - in denen das Verhältnis von Frauen und Männern eher ausgeglichen ist - zählen vor allem kaufmännische Berufe, wie etwa Verkäufer*innen, Kaufleute im Einzelhandel, Industrie- sowie Bankkaufleute. Lediglich bei den Kaufleuten im Groß- und Außenhandel sind die männlichen Auszubildenden im Vergleich doch noch merklich stärker vertreten (Frauenanteil von 37 Prozent). Ebenfalls geschlechterunspezifisch – wenn auch mit mehr weiblichen Auszubildenden – erweisen sich die insgesamt etwas seltener nachgefragten Ausbildungen zum/zur Verwaltungsfachangestellten, Steuerfachangestellten, Friseur*in sowie Hotelfachmann*frau (Frauenanteil von 62 Prozent bis knapp unter 70 Prozent).
Für Ausbildungsanfänger*innen muss damit weiterhin eine starke und andauernde geschlechterbezogene Segregation entlang beruflicher Tätigkeitsbereiche festgestellt werden. (2)
Hintergrund: Es gelingt bisher in Deutschland nicht hinreichend, jungen Frauen und Männern im Rahmen der schulischen Berufsorientierung bzw. der nachgelagerten Beratungsprozesse eine ganzheitliche, nachhaltige und klischeefreie Ausbildungsentscheidung zu ermöglichen, frei von Rollenzuschreibungen, welche auch die jeweiligen Verdienstperspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten im weiteren Lebensverlauf mit in den Blick nimmt. Aus einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen geht hervor, dass die Mehrheit der Jugendlichen es schwierig findet, sich in den vorhandenen Angeboten zur beruflichen Orientierung zurechtzufinden – wobei dies gerade auch für Jugendliche mit hoher Schulbildung gilt. (3) Im Ausbildungsreport der DGB-Jugend (2022) gibt nur ein gutes Viertel der befragten Auszubildenden an, dass ihnen die Berufsorientierungsangebote in der Schule bei ihrer Entscheidungsfindung geholfen haben; weniger als ein Drittel der Jugendlichen hat die Beratungsangebote der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch genommen. (4) Gleichzeitig formulieren Jugendliche selbst den Wunsch, in der Schule mehr Berufsorientierung zu erhalten (45 Prozent), z.B. durch Schulsozialarbeiter*innen und/oder durch eine*n persönliche*n, außerschulische*n Ansprechpartner*in beraten bzw. begleitet zu werden (39 Prozent). (5)
Es mangelt zudem an einem gendersensiblen Engagement von Unternehmen, mit dem Ziel, auch junge Frauen stärker für technische Berufe zu gewinnen. Auch in den Schulen werden technische Kompetenzen nicht so vermittelt, dass sie sowohl junge Männer als auch Frauen ansprechen: Anwendungsmöglichkeiten und soziale Kontexte kommen dabei zu kurz, genauso wie gesellschaftliche Folgen von Technik. Mit der Folge, dass sich junge Frauen nicht ausreichend angesprochen fühlen. (6) Daneben wirken sich auch die – tatsächlichen oder vermuteten – Arbeits- und Vereinbarkeitsbedingungen in einzelnen Berufen (z. B. Arbeitszeitdauer und -lage, Teilzeitangebote oder Verdienstmöglichkeiten) auf die beruflichen Entscheidungen aus. Gerade junge Frauen stehen in noch stärkerem Maße als junge Männer vor der (gedanklichen) Herausforderung, mit ihren beruflichen Entscheidungen langfristig eine Vereinbarkeit von Familie, Care-Arbeit und Beruf für sich zu ermöglichen. Umso wichtiger wäre es, junge Frauen und Männer über die Mechanismen der Vergeschlechtlichung von Berufen aufzuklären. (7) Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass hierbei keine schnellen Veränderungen möglich sein werden: Vorliegende Längsschnittuntersuchungen über vier Jahrzehnte zeigen, dass die horizontale Segregation des deutschen Arbeitsmarktes entlang von Berufsfeldern ein auffallend starkes Beharrungsvermögen aufweist. (8)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
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Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Anika Lindhorn
Literatur
Barlovic, Ingo/Ullrich, Denise/Wieland, Clemens (2023): Ausbildungsperspektiven nach Corona. Eine repräsentative Befragung von Jugendlichen 2023. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Bächmann, Ann-Christin/Kleinert, Corinna/Schels, Brigitte (2024): Anhaltende berufliche Geschlechtersegregation: In Ost wie West arbeiten Frauen und Männer häufig in unterschiedlichen Berufen. (IAB-Kurzbericht 03/2024), Nürnberg, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2025): Berufsbildungsbericht 2024, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Deutscher Gewerkschaftsbund (2024): Mehr Qualität und bessere Praxis in der Berufsorientierung. Positionspapier, letzter Zugriff: 06.02.2025.
DGB-Jugend (2022): Ausbildungsreport. Schwerpunkt: Berufsorientierung, 2022. DGB-Bundesvorstand, Berlin, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Faulstich-Wieland, Hannelore/Scholand, Barbara (2017): Gendersensible Berufsorientierung – Informationen und Anregungen. Eine Handreichung für Lehrkräfte, Weiterbildner/innen und Berufsberater/innen, Hans-Böckler-Stiftung, Working-Paper Forschungsförderung Nr. 34/2017, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Hausmann, Ann-Kathrin/Kleinert, Corinna (2014): Berufliche Segregation auf dem Arbeitsmarkt: Männer- und Frauendomänen kaum verändert, IAB-Kurzbericht 9/2014, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023): Frauen- und Männeranteil an dualer Ausbildung nach Berufsbereichen 2021. In: WSI-GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2022. In: WSI-GenderDatenPortal.
Statistisches Bundesamt (2024): Bildung, Forschung und Kultur. Berufliche Bildung 2023. Statistischer Bericht – Berufsbildungsstatistik 2023, Excel, Tabellenblatt: Informationen zur Statistik, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Uhly, Alexandra/Schmidt, Robyn/Kroll, Stephan (2024): Erläuterungen zum Datensystem Auszubildende (DAZUBI) – Auszubildenden- Daten, Berufsmerkmale, Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung. Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Erhebung zum 31.12.), Berichtsjahr: 2023, letzter Zugriff: 06.02.2025.
Weusthoff, Anja (2018): Wie können Ausbildung und Qualifizierung im Zuge der Digitalisierung die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt aufbrechen? In: Ahlers, Elke et al. (2018): Genderaspekte der Digitalisierung der Arbeitswelt, Arbeitspapier Nr. 311/2018 der Hans-Böckler-Stiftung, S. 40-44. letzter Zugriff 06.02.2025.
(1) 35 Prozent (Frauen) gegenüber 65 Prozent (Männer), vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023): Frauen- und Männeranteil an dualer Ausbildung nach Berufsbereichen 2021.
(2) Vgl. auch BMBF (2025): Berufsbildungsbericht 2024, S. 55f. Dies bedeutet: Junge Männer erfahren in den gewerblich-technischen Berufen kaum Konkurrenz durch junge Frauen. In den Dienstleistungs- und kaufmännischen Berufen konkurrieren junge Frauen jedoch mit jungen Männern um die Ausbildungsplätze.
(3) Vgl. Barlovic, Ingo/Ullrich, Denise/Wieland, Clemens (2023): Ausbildungsperspektiven nach Corona. Eine repräsentative Befragung von Jugendlichen 2023, S. 16.
(4) Vgl. DGB-Jugend (2022): Ausbildungsreport. Schwerpunkt: Berufsorientierung, 2022, S. 8.
(5) Vgl. Barlovic, Ingo/Ullrich, Denise/Wieland, Clemens (2023): Ausbildungsperspektiven nach Corona. Eine repräsentative Befragung von Jugendlichen 2023, S. 22.
(6) Vgl. Weusthoff, Anja (2018): Wie können Ausbildung und Qualifizierung im Zuge der Digitalisierung die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt aufbrechen? S. 41ff.
(7) Vgl. Faulstich-Wieland, Hannelore/Scholand, Barbara (2017): Gendersensible Berufsorientierung – Informationen und Anregungen. Eine Handreichung für Lehrkräfte, Weiterbildner/innen und Berufsberater/innen, S. 24ff.
(8) Hausmann und Kleinert belegen in ihrer Längsschnittstudie von 2014, dass sich die horizontale geschlechtliche Segregation in Westdeutschland zwischen 1976 und 2010 kaum verringert hat, vgl. Hausmann/Kleinert 2014, S. 4. Neuere Forschungen aus 2024 bestätigen für West- sowie Ostdeutschland, dass die Geschlechterunterschiede zwischen 2012 und 2019 (weiterhin) nur wenig zurückgegangen sind, vgl. Bächmann, Ann-Christin/Kleinert, Corinna/Schels, Brigitte (2024), S. 1ff. Vgl. dazu auch Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2022.