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Symbolfiguren Erwerbsarbeit und Sorgearbeit von Frauen

Eileen Peters/Yvonne Lott, 22.08.2024: Die unbezahlte Doppelbelastung: Warum Frauen nicht noch mehr arbeiten können

„Mehr Bock auf Arbeit!“ „Sechs-Tage-Woche!“: Diese Forderungen von Arbeitgeberverbänden und Politik kumulieren nun in der Wachstumsinitiative der Bundesregierung. Aber ist mehr Arbeit für alle einfach so möglich?

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt. Es fehlen an vielen Stellen Arbeits- und Fachkräfte und die deutsche Wirtschaft ist ins Stocken geraten. Eine Lösung für dieses Problem sehen Arbeitgeberverbände und Politiker in einer Ausweitung der Erwerbsarbeitszeiten. Nun hat die Bundesregierung die Wachstumsinitiative vorgelegt. Demnach sollen finanzielle Anreize für Mehrarbeit und Abweichungen vom Acht-Stunden-Tag für mehr Wachstum sorgen.

Die Grundannahme hinter den politischen Forderungen nach längeren Erwerbsarbeitszeiten lautet: Alle können länger arbeiten, wenn nur der Wille dazu vorhanden ist. Als großes Problem werden Teilzeitbeschäftigte und damit vorwiegend Frauen angesehen, die anscheinend einfach „keinen Bock“ auf längere Arbeitszeiten haben - was absolut nicht der Fall ist.

Unbestritten sind die Teilzeitquoten von Frauen relativ hoch. 67 Prozent der Mütter arbeiten in Teilzeit. Unter den Vätern sind es hingegen nur 9 Prozent. Das Starren auf die Teilzeitquote lenkt aber vom eigentlichen Problem ab: Bei der Kinderbetreuung machen Männer oft viel zu wenig. Frauen können im Job daher nicht einfach länger arbeiten, denn daheim stemmen sie bereits einen zweiten Job – und arbeiten damit insgesamt länger als Männer.

Die Forderung nach „mehr Bock auf Arbeit“ verkennt diesen Umstand. Sie entwertet die unbezahlte Arbeit, die tagtäglich überwiegend von Frauen geleistet wird und ohne die die deutsche Wirtschaft nicht bestehen könnte. Sie ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die zu Hause einen Zweitjob bewältigen und unter der Doppelbelastung durch Beruf und Familie leiden.

Frauen arbeiten jetzt schon länger als Männer

In der Erwerbsbevölkerung arbeiten Frauen insgesamt im Durchschnitt eine Stunde länger pro Woche als Männer. Frauen gehen zwar weniger bezahlter Erwerbsarbeit nach, aber sie leisten deutlich mehr unbezahlte Arbeit, und zwar durchschnittlich acht Stunden mehr in der Woche als Männer (Lott, im Erscheinen). Gerade in Familien mit kleinen Kindern ist der Gender Care Gap mit 15 Stunden hoch. Erwerbstätige Mütter mit Kindern unter sechs Jahren investieren wöchentlich 44 Stunden und 33 Minuten in unbezahlte Arbeit (Lott, im Erscheinen). Dies entspricht mehr als einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit.

Unsere Arbeitswelt und unser Wirtschaftssystem basieren somit auf der unbezahlten Arbeit in erster Linie von Frauen. Frauen entlasten ihre Partner, sodass diese uneingeschränkt am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Dadurch bleibt ihnen selbst oft keine Zeit für einen Job mit längeren Arbeitszeiten, auch wenn sie es gerne anders hätten. Dies führt zu finanzieller Abhängigkeit vom Partner, begrenzten Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie unzureichender sozialer Absicherung (Pfahl et al. 2023).

Wieso leisten Mütter so viel (Sorge-)Arbeit und weshalb sind Väter eher für bezahlte Arbeit zuständig?

Wir alle haben Vorstellungen darüber, welche Rolle(n) und Eigenschaften für Frauen und Männer typisch sind. Frauen wird beispielsweise oft Einfühlsamkeit oder Rücksichtnahme unterstellt und Männer werden als zielorientiert und durchsetzungsstark wahrgenommen. Hieraus resultiert, dass Frauen die Rolle als Mutter und Hauptverantwortliche für Sorgearbeit zugeschrieben wird, wohingegen das Bild von Männern als Familienernährer weit verbreitet ist (Trappe et al. 2015; Klünder/Meier-Gräwe 2018). Diese Rollenbilder sind verinnerlicht und bestimmen unser Verhalten. Gerade bei der Familiengründung zeigt sich, wie stark diese Rollenbilder sind. Es sind in erster Linie Mütter, die ihre Erwerbsarbeitszeit nach der Geburt des Kindes reduzieren, während Väter ihre Arbeitszeit sogar erhöhen (Bünning/Pollmann-Schult 2016; Kühhirt 2012). Somit bleibt die Arbeitsteilung in den meisten Paarbeziehungen in Deutschland weiterhin klassisch: Männer gehen mehr bezahlter Arbeit nach und Frauen mehr unbezahlter (Pfahl et al. 2023).

Doch selbst wenn sich Eltern die Arbeit gleich aufteilen wollen, werden sie an diesen Rollenbildern gemessen. Aus Sorge vor negativen Reaktionen aus dem Kolleg*innenkreis oder von Vorgesetzten können Beschäftigte davor zurückschrecken, ihren Wunsch nach gleichen Verantwortlichkeiten in der Sorgearbeit tatsächlich umzusetzen. So sehen sich Mütter oftmals mit Fragen wie „Wofür bekommt man überhaupt Kinder, wenn sie direkt in die Kita abgegeben werden?“ konfrontiert. Im Gegensatz dazu scheuen Väter aus Angst vor Karrierenachteilen die Elternzeit, und die Väter, die länger als die zwei Partnermonate in Elternzeit gehen möchten, stoßen bei Arbeitgebern oftmals auf Irritation und müssen sich für ihre aktive Vaterrolle rechtfertigen. So ist es nicht überraschend, dass sich zwar 80 Prozent der Frauen und Männer eine gleichberechtigte Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit wünschen, die wenigsten Paare dieses Ideal aber leben (Kohlrausch/Peters 2024).

Eine Frage des Geldes?

Eine häufig genannte Rechtfertigung der ungleichen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit lautet, dass Männer meist mehr verdienten als Frauen. Hieraus ergebe sich die ökonomisch logische Konsequenz, dass Frauen ihre Arbeitszeit verkürzen und sich verstärkt auf unbezahlte Arbeit konzentrieren. Allerdings zeigt sich, dass Frauen auch dann den Großteil der Sorgearbeit übernehmen, wenn sie in Vollzeit arbeiten (vgl. Lott, im Erscheinen) oder wenn der Partner arbeitslos ist (vgl. van der Lippe et al. 2018). Daher ist das Argument, dass die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit zwangsläufig auf die ökonomische Situation von Paaren zurückzuführen sei, nicht überzeugend.

Ein höheres Engagement der Männer ist unerlässlich

Wenn Frauen und insbesondere Mütter mehr bezahlter Arbeit nachgehen sollen, müssen Väter mehr Zeit für Sorgearbeit aufbringen. Das gilt auch bei einem verbesserten Angebot an Kita-Plätzen, denn Kinder können immer krank werden und Betreuungszeiten aufgrund von Personalausfall in den Kitas gekürzt oder gestrichen werden. In den meisten Fällen fangen Frauen diese Engpässe auf.

Das höhere Engagement von Männern bei der unbezahlten Arbeit, das für die Stärkung der Frauenerwerbsarbeit notwendig ist, bleibt in der politischen Debatte jedoch oftmals unberücksichtigt. Daher wird auch nicht beachtet, dass die Ausweitung der Erwerbsarbeitszeit droht, die Geschlechterungleichheiten zu verschärfen. Aufgrund der ungleichen Verteilung der unbezahlten Arbeit sind vor allem Männer in der Lage, ihre Erwerbsarbeitszeiten auszuweiten. Damit sind es auch in erster Linie die Männer, die von den finanziellen Anreizen zur Mehrarbeit ökonomisch profitieren, wie sie die Wachstumsinitiative der Bundesregierung vorsieht (Lott 2024). Dies kann den ohnehin schon hohen Gender Pay Gap in Deutschland verschärfen. Und noch mehr: Weiten Männer ihre Erwerbsarbeitszeiten aus, müssen Frauen noch mehr unbezahlte Arbeit übernehmen. Dies schränkt ihre Erwerbsfähigkeit weiter ein und kann zu einem weiteren Rückzug von Frauen aus dem Arbeitsmarkt führen. In Sachen Wirtschaftswachstum und Fachkräftemangel wäre damit nichts gewonnen.

Zu wenig Kitaplätze und zu wenig Personal

Die Erwerbsbeteiligung von Eltern und besonders die von Frauen hängt fundamental mit der Kinderbetreuungsinfrastruktur zusammen. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl des pädagogischen Fachpersonals in den Kindertageseinrichtungen um 51 Prozent und die Zahl der betreuten Kinder zeitgleich um 22 Prozent gestiegen (Statistisches Bundesamt 2024). Allerdings hat der Bedarf an Kitaplätzen ebenfalls kontinuierlich zugenommen, sodass im Jahr 2023 rund 400.000 Kitaplätze und 125.000 Fachkräfte fehlten (Bertelsmann Stiftung 2024). Wenn kein Betreuungsplatz vorhanden ist, muss die Betreuung selbst übernommen werden, wodurch oftmals die Zeit fehlt, zusätzlich noch einer bezahlten Arbeit nachzugehen. So ist es nicht überraschend, dass 32 Prozent der Frauen, die nicht erwerbstätig sind, angeben, dass sie aufgrund von Betreuungspflichten keiner Erwerbsarbeit nachgehen können (Statistisches Bundesamt 2023).

Und was ist mit den Eltern, die einen Kitaplatz erhalten haben?  Die Kitaöffnungszeiten lassen eine Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile oftmals nicht zu; es sind dann häufig die Frauen, die beruflich zurückstecken (Pfahl et al. 2023). Auch sind viele Eltern mit einer unzuverlässigen Betreuungssituation konfrontiert: Im Jahr 2023 waren 57 Prozent der Mütter und Väter mit Kürzungen der Betreuungszeiten und/oder zeitweiligen Schließungen der Einrichtungen aufgrund von Personalmangel konfrontiert (Kohlrausch/Hövermann 2023). Knapp 30 Prozent der Eltern, die davon betroffen waren, mussten zeitweilig ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren (Kohlrausch/Hövermann 2023). In der Mehrheit der Fälle betraf dies Mütter.

Wird die Wachstumsinitiative weitergedacht, müsste auch das Kitapersonal einfach länger arbeiten, um die Betreuungssituation zu entschärfen. Immerhin haben 2022 61 Prozent des Personals in Kindertageseinrichtungen in Teilzeit gearbeitet. Allerdings sind die Teilzeit-Arbeitszeiten der Erzieher*innen in der Regel nicht auf fehlenden Willen zu einer Vollzeittätigkeit zurückzuführen, sondern resultieren daraus, dass die Frauen in diesem weiblich dominierten Beschäftigungsfeld ebenfalls unter den oben beschriebenen Zwängen stehen: Auch für Erzieher*innen sind es vor allem eigene familiäre Betreuungspflichten, die einer Ausweitung der Arbeitszeit entgegenstehen. Dazu kommen die hohen Arbeitsbelastungen und der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance (Weimann-Sandig/Kalicki 2024). Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass das Kitapersonal jetzt schon an der Belastungsgrenze ist und nicht einfach noch mehr arbeiten kann. Trotz des zweiten Kita-Qualitätsgesetzes, das die Qualität der Kindertagesbetreuung verbessern sollte, ist die Situation in deutschen Kitas weiterhin problematisch. Um durch das Kita-Qualitätsgesetz die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern, sind zusätzliche finanzielle Mittel nötig. Diese sollten nicht nur für ein Mehr an Kitaplätze aufgewendet werden, sondern auch für bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung des Kitapersonals. Dies sieht die Wachstumsinitiative so allerdings nicht vor.

Wirkungsvollere Maßnahmen

Eine zentrale Maßnahme für die Stärkung der Frauenerwerbsarbeit ist der deutliche Ausbau von Kitaplätzen. Und dafür braucht es eine Offensive zur Ausbildung in erzieherischen Berufen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, differenziertere Lohn- und Karrierewege und eine insgesamt höhere Entlohnung in diesem Bereich (Weimann-Sandig/Kalicki 2024; Pfahl et al. 2023). Dies würde die Zeit, die für Sorgearbeit aufgewendet wird, verringern, wodurch sich vor allem für Frauen neue Spielräume ergeben würden, um mehr Erwerbsarbeit nachzugehen. Zudem würden die verbesserten Arbeitsbedingungen vor allem Frauen zugutekommen, die in diesen Berufen überrepräsentiert sind.

Damit Frauen ihre Erwerbsarbeitszeiten ausweiten können, müssen Männer mehr unbezahlte Arbeit übernehmen. Es sollten daher Möglichkeiten für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung geschaffen werden. Eine Ausweitung der Partnermonate im Elterngeldbezug, eine Erhöhung des seit seiner Einführung im Jahr 2007 nicht mehr angepassten Elterngeldes, finanzielle Anreize für die gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit in Paaren sowie die Einführung der Familienarbeitszeit liegen hier nahe (Pfahl et al. 2023; Kohlrausch/Peters 2024). Auch die EU-Richtlinie zur Familienstartzeit, die zehn Tage bezahlten Sonderurlaub für Väter um die Geburt des Kindes vorsieht, muss endlich in nationales Recht umgesetzt werden.  

Allerdings sollte der Anspruch nicht sein, dass Frauen, die mehr arbeiten möchten, sich an der herkömmlichen 40-Stunden-Woche orientieren. Vielmehr sollte die Debatte um Arbeitszeit darauf abzielen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in den Fokus zu rücken. Es sollte also darum gehen, dass Bürger*innen genügend Zeit für Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Freizeit oder auch politisches Engagement haben (siehe hierzu Bücker 2023). Hierfür sind mehr Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität und flexible sowie individualisierte Erwerbsarbeitszeitmodelle nötig. Ansatzpunkte können eine Vier-Tage-Woche oder eine individuell flexible x-Tage-Woche sein, die große Zustimmung in der Bevölkerung finden (Lott/Windscheid 2023; Weber 2023). Auch das Konzept eines Wahlarbeitszeitgesetzes des Deutschen Juristinnenbundes verspricht Beschäftigten die notwendige örtliche und zeitliche Flexibilität, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Dies sind sehr viel wirkungsvollere und vielleicht auch humanere Maßnahmen als pauschale Forderungen nach „mehr Bock auf Arbeit“ und die Fehlanreize der Wachstumsinitiative.

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Autorinnen

Dr. Eileen Peters ist wissenschaftliche Referentin im WSI-Projekt ,,Covid-19 und Arbeitsmarktentwicklungen in Bezug auf Geschlechterungleichheiten (CAme_BaG)“.

Dr. Yvonne Lott ist Leiterin des Referats Geschlechterforschung am WSI. Sie forscht zu den Themen Arbeitszeit, flexibles Arbeiten, Work-Life Balance und soziale Ungleichheit.

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