zurück
Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2016: Ein kurzer Überblick

In der Tarifrunde 2016 liegen zur Jahresmitte bereits zahlreiche Abschlüsse für einige große und viele kleinere Branchen und Tarifbereiche vor. Die Ergebnisse zeigen, dass die Abschlussraten im Vergleich zum Vorjahr leicht niedriger ausfallen und auch die jahresbezogene Tariferhöhung geringer ist. Die tariflichen Grundlöhne und -gehälter werden in diesem Jahr preisbereinigt voraussichtlich um rund 2,5 % steigen. Die Tarifrunden im öffentlichen Dienst und in der Metall- und Elektroindustrie wurden von breiten Warnstreikwellen geprägt, die Zahl der Ausfalltage blieb jedoch weit unter dem Vorjahresniveau.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Vorfeld der Tarifrunde 2016 waren relativ günstig (IMK 2016). Die realen Wachstumsraten nahmen 2015 quartalsweise stetig zu, im gesamten Jahr ergab sich ein Wachstum von 1,7 %, also geringfügig höher als im Vorjahr. Die Institute prognostizierten zu Jahresbeginn 2016 wie bereits im Vorjahr mehrheitlich ein reales Wachstum zwischen 1,5 und 2,0 % und einen Anstieg der Verbraucherpreise überwiegend zwischen 0,5 und 1,4 %.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verlief erneut positiv (BA 2016): Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im Jahresverlauf 2015 um 330.000 (+0,9 %), bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten fiel der Zuwachs mit 1,9 % stärker aus. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ging 2015 um 4,0 % zurück, die Arbeitslosenquote sank von 6,7 auf 6,4 %. Im Vorfeld der Tarifrunde spielte auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes eine wichtige Rolle. Eine Reihe von Mainstream-Ökonomen und Instituten prognostizierten mehr oder minder starke negative Effekte auf die Beschäftigung, was sich jedoch im Rückblick als völlige Fehleinschätzung herausstellte (Amlinger u. a. 2016).

Die Lohn- und Gehaltsforderungen der Gewerkschaften begründete der DGB mit den Rekordgewinnen der Unternehmen, der florierenden Exportwirtschaft und der positiven Entwicklung der öffentlichen Haushalte (DGB 2016). Sie bewegten sich in der diesjährigen Tarifrunde zwischen 4,5 und 6,0 % und damit insgesamt etwas niedriger als im Vorjahr. Die höchste Forderung in den größeren Tarifbereichen stellte ver.di im öffentlichen Dienst (Bund, Gemeinden) mit 6,0 % auf. Im privatwirtschaftlichen Bereich folgte dicht auf die IG BAU mit 5,9 % für das Bauhauptgewerbe. In einigen NGG-Tarifbereichen forderte die Gewerkschaft 5,5 %. Die häufigste Tarifforderung belief sich auf 5,0 %, so u. a. in der Metallindustrie, der chemischen Industrie, der Holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie, der Druckindustrie und bei der Deutschen Telekom. Im Bankgewerbe lag sie mit 4,9 % knapp darunter. In kleineren ostdeutschen Tarifbereichen wurden 4,5 % gefordert. Forderungen mit einer ausgeprägten „sozialen Komponente“ spielten in dieser Tarifrunde keine prominente Rolle. Im bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbe forderte die NGG einen Festbetrag von 100 €/Monat.

Auch in dieser Tarifrunde gab es in einigen Tarifbereichen qualitative Tarifforderungen: Sie bezogen sich u. a. auf die Übernahme der Ausgebildeten, die Weiterentwicklung von Demografie-Tarifverträgen, die Fortschreibung von Altersteilzeitregelungen und die betriebliche Altersversorgung.
Insgesamt laufen von Ende 2015 bis Ende 2016 die Einkommenstarifverträge für knapp 12 Millionen Beschäftigte aus. Der Kündigungsterminkalender gab u. a. folgenden zeitlichen Ablauf der Tarifrunde vor:

  • Januar: Deutsche Telekom AG
  • Februar: Öffentlicher Dienst (Bund, Gemeinden)
  • März: Metall- und Elektroindustrie, Druckindustrie, Brot- und Backwarenindustrie
  • April: Bauhauptgewerbe, Bankgewerbe, Maler- und Lackiererhandwerk
  • Mai: Volkswagen AG, Kautschukindustrie
  • Juli/August/September: Chemische Industrie
  • September: Deutsche Bahn AG
  • Oktober: Papier und Pappe verarbeitende Industrie
  • Dezember: Öffentlicher Dienst (Länder), Zeitarbeit

In einigen Branchen wird in diesem Jahr nicht verhandelt, weil die Verträge bis ins Jahr 2017 hinein laufen. Dazu gehören u. a. die Textil- und Bekleidungsindustrie, das Kfz-Gewerbe, der Einzelhandel, der Groß- und Außenhandel, das Gebäudereinigerhandwerk und Teile der Energiewirtschaft. Ein Blick auf ausgewählte Tarifabschlüsse zeigt für das erste Halbjahr folgendes Bild (siehe auch Übersicht 1):

Januar
Für die Beschäftigten der Süßwarenindustrie Ost einigten sich die Tarifparteien bereits in der 1. Verhandlungsrunde auf eine Tarifsteigerung um 2,7 % ab Januar 2016 und eine weitere Anhebung um 2,4 % im Januar 2017 bei einer Laufzeit von 24 Monaten bis zum Ende 2017.

Februar
In der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie erfolgte der erste Abschluss für Baden-Württemberg: nach 4 Nullmonaten (Januar bis April) werden die Tarife um 2,0 % ab Mai 2016 und weitere 1,7 % ab Juli 2017 erhöht bei einer Laufzeit von 24 Monaten bis Ende 2017. Darüber hinaus wurde ein Tarifvertrag Demografie abgeschlossen. Für die Tarifgebiete Niedersachsen/Bremen, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz und Bayern wurde dieser Abschluss inhaltsgleich übernommen.

März
Im Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern erreichte die NGG nach 2 Nullmonaten (Februar und März) eine Pauschalzahlung in Höhe von 40 € für April (ohne Auszubildende), ab Mai steigen die Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 3,0 % gefolgt von einer Stufenerhöhung um 2,0 % zum Mai 2017. Der Tarifvertrag gilt bis zum April 2018.

April
Bei der Deutschen Telekom AG setzte ver.di in der 4. Verhandlungsrunde am 12. und 13. April folgenden Abschluss durch: Nach zwei Nullmonaten (Februar und März) Anhebung der Tarifvergütung in den unteren Entgeltgruppen um 2,6 %, in den oberen um 2,2 %, eine Stufenerhöhung im April 2017 um 2,1 % bei einer Laufzeit von insgesamt 24 Monaten bis Januar 2018. Der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen wurde bis Ende 2018 verlängert. Die Tarifrunde wurde von Protest- und Warnstreikaktionen mehrerer zehntausend Beschäftigter begleitet.

Im Öffentlichen Dienst (Bund, Gemeinden) einigten sich die Tarifparteien am 29.04. auf eine Anhebung der Tarifentgelte um 2,4 % ab März 2016 und weitere 2,35 % ab Februar 2017 mit insgesamt 24 Monaten Laufzeit bis Februar 2018. Eine neue Entgeltordnung für Gemeinden wurde vereinbart und Regelungen zur Sicherung der betrieblichen Altersversorgung getroffen.

Mai
Nach intensiven Warnstreiks mit rund 800.000 Beteiligten erreichte die IG Metall am 13.05. in der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen einen Pilotabschluss mit einer Tarifanhebung von 2,8 % ab Juli 2016 und weiteren 2,0 % ab April 2017 mit einer Laufzeit von 21 Monaten bis Dezember 2017. Für die drei Nullmonate (April - Juni) wird eine Pauschale von 150 € gezahlt. Auch eine Regelung zur betrieblichen Differenzierung wurde vereinbart. Der Abschluss wurde in den anderen Regionen und auch bei Volkswagen übernommen.

Im Bauhauptgewerbe einigten sich die Tarifparteien in der 4. Runde am 18.05. auf Lohn- und Gehaltserhöhungen von 2,4/2,2 % im Westen und Berlin sowie 2,9/2,4 % im Osten, jeweils ab Mai 2016/2017, bei einer Laufzeit von 22 Monaten bis Februar 2018.

Juni
Nach einer regionalen und zwei bundesweiten Verhandlungsrunden vereinbarten die Tarifparteien in der chemischen Industrie einen Tarifabschluss mit einer Tariferhöhung von 3,0 % für 13 Monate ab 01.08., 01.09. bzw. 01.10.2016 sowie einer anschließenden Stufenerhöhung um 2,3 % für weitere 11 Monate. Die (regional unterschiedliche) Laufzeit beläuft sich insgesamt auf 24 Monate.


Übersicht 1: Ausgewählte Tarifforderungen und -abschlüsse in der Tarifrunde 2016

Abschluss

Tarifbereich

Forderung

Lohn, Gehalt, Entgelt

     

2016

2017

19.01.

Süßwarenindustrie
Ost

6,0 %

2,7 % ab 01/2016

2,4 % ab 01/2017,
Laufzeit 24
Mon.
bis 12/2017

23.02. 

Holz- und Kunststoffverarbeitung
Baden-Württemberg (Pilotabschluss)

5,0 %

4 Nullmonate
2,0 % ab 05/2016

1,7 % ab 07/2017,
Laufzeit 24
Mon.
bis 12/2017

21.03.

Hotels und Gaststätten Bayern

100 €/Mon.

2 Nullmonate, 40 € Pauschale für 1 Monat
3,0 % ab 05/2016

2,0 % ab 05/2017,
Laufzeit 27
Mon.
bis 04/2018

13.04.

Deutsche Telekom AG

5,0 % untere Gruppen
überpro-
portional

2 Nullmonate
2,6/2,2 % ab 04/2016
(untere/obere Entgeltgruppen)

2,1 % ab 04/2016,
Laufzeit 24
Mon.
bis 01/2018

29.04.

Öffentlicher Dienst
Bund und Gemeinden

6,0 %

2,4 % ab 03/2016

2,35 % ab 02/2017,
Laufzeit 24
Mon.
bis 02/2018

13.05.

Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen

5,0 %

150 € Pauschale für 3 Monate
2,8 % ab 07/2016

2,0 % ab 04/2017,
Laufzeit 21
Mon.
bis 12/2017

17./
18.05.

Bauhauptgewerbe (Ang. o. Bayern)

5,9 %, weitere Angleichung
Ost an West

2,4/2,9 % West/Berlin-West u.
-Ost/Ost ab 05/2016

2,2/2,4 % West/Berlin-
West u. -Ost/Ost ab 05/2017,
Laufzeit 22
Mon.
bis 02/2018

20.05.

Volkswagen AG

5,0 %

3 Nullmonate
2,8 % ab 09/2016
200 € Rentenbaustein

2,0 % ab 08/2017,
Laufzeit 20
Mon.
bis 01/2018

31.05.

Kautschukindustrie

5,0 % 

2,5 % ab 06/2016

1,9 % ab 06/2017
0,6 % ab 01/2018,
Laufzeit 24
Mon.
bis 05/2018

13./
14.06.

Druckindustrie

5,0 % 

3 Nullmonate
2,0 % ab 07/2016

1,8 % ab 08/2017
Laufzeit 29
Mon.
bis 08/2018

23.06.

Chemische Industrie

5,0 %

3,0 % ab 08/09/10/2016

2,3 % ab 09/10/11/2017
Laufzeit 24
Mon.
bis 07/08/ 09/2018

Mon.: Monate

Quelle: WSI-Tarifarchiv Stand: Juni 2016

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen