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Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2008: Ein kurzer Überblick

Die tarifpolitische Entwicklung im ersten Halbjahr 2008 zeichnet ein vorwiegend positives Bild. In einer Reihe von Branchen und Tarifbereichen ist es den Gewerkschaften gelungen, deutlich höhere Tarifabschlüsse als in den Vorjahren zu tätigen. In Einzelbereichen wurden Abschlussraten von bis zu 5 % und knapp darüber erreicht.

Dominierend für das Tarifgeschehen waren die Stahlindustrie und die chemische Industrie, dort konnten die Gewerkschaften die günstige Entwicklung des Vorjahres fortsetzen. Im öffentlichen Dienst gelang nach Jahren faktischer Nullrunden erstmals ein Abschluss deutlich über der Inflationsrate. Aber es gab auch Probleme: Im Einzelhandel gelang es auch nach über einjährigen Verhandlungen und Konflikten nicht, für die Branche einen neuen Lohn- und Gehaltstarifvertrag abzuschließen. Im Kfz-Handwerk kämpft die IG Metall in einzelnen Regionen um den Erhalt des Flächentarifvertrages. Insgesamt präsentierten sich die Gewerkschaften kampfbereit: In zahlreichen Branchen kam es zu Warnstreiks und Protestaktionen. Die teilweise sehr hohe Beteiligung dokumentierte die Bereitschaft der Mitglieder zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Forderungen.

Die ökonomischen Rahmenbedingungen der Tarifrunde entwickelten sich zwiespältig. Zum einen erwarteten die Ökonomen in Folge der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten und der nachlassenden globalen Konjunktur auch für Deutschland eine Abschwächung der wirtschaftlichen Entwicklung. Der Sachverständigenrat prognostizierte für 2008 eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 1,9 %, im Jahreswirtschaftsbericht ging die Bundesregierung von 1,7 % aus und das IMK reduzierte seine Wachstumsprognose für 2008 sogar auf 1,5 % (SVR 2007, JWB 2007, IMK 2007). Zumindest in den ersten Monaten des Jahres entwickelte sich die Konjunktur in Deutschland dann günstiger als erwartet. Auch die Belebung des Arbeitsmarktes hielt zunächst noch an. Für die Tarifrunde entscheidend waren die anhaltend positive Gewinnentwicklung der privaten Wirtschaft, die kräftige Steigerung der Manager- und Vorstandsbezüge und das bei den Beschäftigten ausgeprägte Gefühl, am jahrelangen Aufschwung bislang nicht oder nur unzureichend partizipiert zu haben. Die daraus resultierende Erwartungshaltung fand ihren Niederschlag auch in den Tarifforderungen.

Die Lohn- und Gehaltsforderungen der Gewerkschaften fielen in dieser Tarifrunde noch einmal höher aus als im Vorjahr. Den Spitzenreiter bildete der öffentliche Dienst. Dort forderte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Tarifanhebung von 8 % mindestens jedoch 200 €. Ebenfalls 8 % forderten die Gewerkschaften u. a. in der Stahlindustrie, in der Papierverarbeitung und im Bankgewerbe. Erstmals seit 2004 stellte die IG BCE für die chemische Industrie mit 7 % wieder eine bezifferte Forderung auf. In anderen Branchen blieben die Forderungen mit 4,5 bis 5,5 % deutlich darunter (Übersicht 1).

Nach dem Kündigungsterminkalender liefen die Tarifverträge im öffentlichen Dienst Ende Dezember 2007 als erste aus, gefolgt von der Eisen- und Stahlindustrie Ende Januar 2008. Die Entgelttarifverträge in der chemischen Industrie liefen regional unterschiedlich zwischen Ende Februar und Ende April aus. Die Verträge im westdeutschen Kfz-Gewerbe endeten überwiegend ebenfalls Ende Februar.

Übersicht 1: Tarifforderungen in der Tarifrunde 2008
in ausgewählten Tarifbereichen

Bankgewerbe 8 %
Chemische Industrie 7 %
Deutsche Post AG 7 %
Eisen- und Stahlindustrie 8 %
Kfz-Gewerbe Nordrhein-Westfalen 5 %
Landwirtschaft 5,5 %
Nahrung-Genuss-Gaststätten 4,5 - 6 %
Öffentlicher Dienst (Bund, Gemeinden) 8 % mind. 200 €
Papier verarbeitende Industrie 8 %
Redakteure an Tageszeitungen und Zeitschriften 7,5 %
Textil- und Bekleidungsindustrie 5,5 %

Quelle: WSI-Tarifarchiv

Den ersten wichtigen Abschluss gab es am 20.2.2008 in der Eisen- und Stahlindustrie. Für Februar wurde eine Pauschale von 200 € gezahlt, zum 1.3.2008 folgte eine Tarifanhebung um 5,2 % mit einer Laufzeit bis Ende März 2009. Am 31.3.2008 vereinbarten die Tarifparteien im öffentlichen Dienst (Bund, Gemeinden) einen Sockelbetrag von 50 € sowie eine Anhebung um 3,1 % ab dem 1.1.2008 (für die Gemeinden Ost erfolgt beides ab 1.4.2008), es geht weiter mit einer Einmalzahlung von 225 € zum Jahresbeginn 2009 und einer Stufenerhöhung von 2,8 % ebenfalls ab dem 1.1.2009 mit einer Laufzeit bis Ende 2009. Am 16.4.2008 erreichte die IG BCE für die chemische Industrie folgenden Abschluss: Regional unterschiedlich gibt es ab März/April/Mai 2008 eine Tarifanhebung von 4,4 %, es folgt eine Stufenerhöhung von 3,3 % ab April/Mai/Juni 2009. Für die ersten 13 Monate wird eine zusätzliche Einmalzahlung von 0,5 % gezahlt. Die Gesamtlaufzeit beträgt 25 Monate.

In anderen Branchen gelangen ebenfalls Abschlüsse oberhalb der Inflationsrate: In der Landwirtschaft sieht die Bundesempfehlung eine Erhöhung von 3,8 % ab dem 1.3.2008 und eine Stufenerhöhung von 3,2 % ab dem 1.2.2009 bei einer Laufzeit bis Ende März 2010 vor. In der Textil- und Bekleidungsindustrie wird nach einem Nullmonat und einer Pauschale für April und Mai 2008 in Höhe von 200 € eine Tariferhöhung von 3,6 % ab dem 1.6.2008 gezahlt. Die Laufzeit reicht bis Ende Februar 2009. Bei der Deutschen Post AG sieht der Tarifabschluss für die Monate Mai bis Oktober eine Pauschale von 200 € vor, anschließend erhalten die Beschäftigten eine Tariferhöhung von 4,0 % und eine nochmalige Steigerung um 3,0 % ab 1.11.2009 mit einer Laufzeit bis Ende Juni 2010. In der Energiewirtschaft NRW (GWE-Bereich) steigen die Tarife ab dem 1.7.2008 um 4,0 %, ein Jahr später folgt eine Stufenerhöhung von 3,5 % bis Ende Juni 2010. In der Papier verarbeitenden Industrie umfasst der Tarifabschluss nach einem Nullmonat eine Tariferhöhung von 3,9 % ab dem 1.5.2008 sowie eine Stufenerhöhung von weiteren 2,9 % ab dem 1.5.2009 für weitere 12 Monate.

Geringere Tariferhöhungen wurden vereinbart im Brauereigewerbe Nordrhein-Westfalen mit einem Plus von 3,0 % für das Jahr 2008. Im Hotel- und Gaststättengewerbe Nordrhein-Westfalen beträgt die Tariferhöhung ebenfalls 3,0 % ab 1.3.2008, ein Jahr später folgt einer Stufenerhöhung um 2,5 % mit einer Laufzeit bis Ende Mai 2010.

Im Kfz-Gewerbe gelang der erste regionale Abschluss in Hessen: Dort erhalten die Beschäftigten nach einem Nullmonat ab dem 1.4.2008 eine Tariferhöhung von 2,5 %, ab dem 1.12.2008 eine Stufenerhöhung von 2,0 % und ein Jahr später weitere 2,0 %. Die Laufzeit reicht bis Ende April 2010. Ähnliche Abschlüsse gab es auch in anderen regionalen Tarifbereichen. In Nordrhein-Westfalen ließ der zuständige Verband die Verhandlungen mit der IG Metall kurz vor der endgültigen Einigung platzen und gab sein tarifpolitisches Mandat ganz auf. Kurz zuvor hatte der Verband mit der konkurrierenden "Christlichen Gewerkschaft Metall" einen Tarifvertrag zu deutlich schlechteren Konditionen abgeschlossen. Die IG Metall versucht nun, über Firmentarifverträge schrittweise die Tarifbindung und perspektivisch auch den Flächentarifvertrag wieder herzustellen.

Im Einzelhandel hat ver.di nach den seit rund einem Jahr erfolglosen regionalen Verhandlungen am 3.4.2008 einen Tarifvertrag mit der REWE-Gruppe abgeschlossen. Er sieht eine Pauschalzahlung von 50 € für jeden tariflosen Monat im Jahr 2007 sowie eine Tarifanhebung um 3,0 % ab 1.1.2008 mit einer Laufzeit bis Ende April 2009 vor. Auch eine Regelung für die umstrittenen Spätarbeitszuschläge wurde gefunden: Es wurde eine zusätzliche variable Jahressondervergütung in Höhe von 12,5 % (0 - 25 %) des individuellen monatlichen Tarifentgelts vereinbart. Im Gegenzug fallen die Samstagszuschläge bis 18:30 Uhr weg. Erstmals werden alle Samstage, auch die vier vor Weihnachten, ab 18:30 Uhr zuschlagspflichtig. Die Zuschlagregelung von Montag bis Freitag ab 18:30 sowie die Nachtarbeitszuschläge bleiben unverändert. Eine Übertragung dieser oder ähnlicher Vereinbarungen auf die ganze Branche ist bislang nicht gelungen.

Übersicht 2: Ausgewählte Lohn- und Gehaltsabschlüsse
West und Ost für 2008

Abschluss Tarifbereich Ergebnis
23.01.2008 Landwirtschaft Bundesempfehlung:
3,8 % ab 01.03.08
3,3 % Stufenerhöhung ab 01.02.09,
Laufzeit bis 31.03.10
11.02.2008 Brauereien Nordrhein-Westfalen 3,0 % ab 01.01.08,
Laufzeit bis 31.12.08
20.02.2008 Eisen- und Stahlindustrie Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen 200 € Pauschale für Februar 2008
5,2 % ab 01.03.08, Laufzeit bis 31.03.09
21.02.2008 Hotel- und Gaststättengewerbe Nordrhein-Westfalen 3,0 % ab 01.03.08
2,5 % Stufenerhöhung ab 01.03.09, Laufzeit bis 31.05.10
07.03.2008 Kfz-Gewerbe Hessen Nach 1 Nullmonat (März)
2,5 % ab 01.04.08
2,0 % Stufenerhöhung ab 01.12.08
2,0 % Stufenerhöhung ab 01.12.09, Laufzeit bis 30.04.10
11.03.2008 Textil- und Bekleidungsindustrie West Nach 1 Nullmonat (März)
200 € Pauschale insg. für April und Mai 2008
3,6 % ab 01.06.08, Laufzeit bis 28.02.09
31.03.2008 Öffentlicher Dienst
Bund, GemeindenWest und Ost
50 € Sockelbetrag plus
3,1 % ab 01.01.08
(Gemeinden Ost: beides ab 01.04.08)
2,8 % Stufenerhöhung ab 01.01.09
225 € Einmalzahlung zum 01.01.2009,
Laufzeit bis 31.12.09(Abweichungen bei Krankenhäusern, Nahverkehr und Versorgung)
03.04.2008 Einzelhandel: REWE-Gruppe 50 € Pauschale für jeden tariflosen Monat in 2007
3,0 % ab 01.01.08, Laufzeit bis 30.04.09
08.04.2008 Ärzte/innen an kommunalen Krankenhäusern (Marburger Bund) 4,0 % durchschnittlich ab 01.04.08
3,8 % Stufenerhöhung ab 01.01.09, Laufzeit bis 31.12.09
16.04.2008 Chemische Industrie 4,4 % regional unterschiedlich ab 03/04/05/2008
3,3 % Stufenerhöhung ab 04/05/06/2009, Laufzeit bis 03/04/05/2010
Einmalzahlung von 0,5 % für die ersten 13 Monate
22.04.2008 Steinkohlenbergbau 300 € Pauschale insg. für Januar - April
3,4 % ab 01.05.08
2,0 % Stufenerhöhung ab 01.07.09, Laufzeit bis 31.12.10
30.04.2008 Deutsche Post AG 200 € Pauschale insg. für Mai – Oktober
4,0 % ab 01.11.08
3,0 % Stufenerhöhung ab 01.12.09, Laufzeit bis 30.06.10
08.05.2008 Papierverarbeitung Nach 1 Nullmonat (April)
3,9 % ab 01.05.08
2,9 % Stufenerhöhung ab 01.05.09, Laufzeit bis 30.04.10
29.05.2008 Energiewirtschaft Nordrhein-Westfalen (GWE) 4,0 % ab 01.07.08
3,5 % Stufenerhöhung ab 01.07.09, Laufzeit bis 30.06.10

Quelle: WSI-Tarifarchiv Stand: Juni 2008

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