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Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2009: Gebäudereinigerhandwerk

Das Gebäudereinigerhandwerk ist für die zuständige Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) seit vielen Jahren ein schwieriges Tarifgebiet. Im Gebäudereinigerhandwerk sind in Deutschland rund 32.200 Betriebe mit rund 860.000 Beschäftigten tätig. Gut 2.500 Betriebe sind im Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks zusammengeschlossen und repräsentieren rund 87 % des Umsatzes wie auch der Beschäftigten dieser Branche.

Über die Hälfte der Beschäftigten ist geringfügig beschäftigt, der Organisationsgrad ist relativ gering und die Arbeitgeber haben die Tarifstandards in den vergangenen Jahren verstärkt unter Druck gesetzt.

So war die Gewerkschaft im Jahr 2003 gezwungen, einen Tarifvertrag zu unterschreiben, der mit Lohnabsenkungen von bis zu 10 % verbunden war und somit "schmerzliche Verluste für die Beschäftigten" (IG BAU 2004) bedeutete. Der Hintergrund: In vielen Unternehmen der Branche waren - in Folge der Deregulierung der Leiharbeit durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2003 - eigene Zeitarbeitsunternehmen ausgegründet worden und die dort Beschäftigten erhielten Stundenlöhne, die weit unter dem Gebäudereinigertarif lagen. Durch eine Allgemeinverbindlicherklärung wurde der neue Lohntarifvertrag1 bindend für die gesamte Branche. Der Vertrag wurde im Jahr 2006 noch einmal unverändert bis Ende 2007 verlängert.

Außerdem wurde die Branche 2007 in den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen, der darauf bezogene Mindestlohntarifvertrag sah eine Vergütung von 7,87 € (West) und 6,36 € (Ost) vor. Ein weiterer Tarifabschluss sah eine Tarifanhebung um 3,5 % ab Januar 2008 mit einer Laufzeit bis Ende September 2009 vor. Die letzten Jahre in dieser Branche waren also gekennzeichnet durch eine mehr als moderate Lohnentwicklung sowie den Versuch, durch Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz und nach dem Entsendegesetz Lohndumping zu verhindern und Mindeststandards festzuschreiben. Dabei war es sicherlich hilfreich, dass der Bundesinnungsverband die Festschreibung von allgemeinverbindlichen Mindeststandards seit einigen Jahren unterstützte und sich auch früh für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprach (Bundesinnungsverband Gebäudereinigerhandwerk 2006).

Forderungen und Verhandlungen

Frühzeitig, nämlich bereits im Januar 2009, legte die IG BAU ihren Forderungskatalog für die Verhandlungsrunde vor. Er umfasste folgende vier Punkte:

  • Anhebung der Löhne einschließlich der Mindestlöhne und Ausbildungsvergütungen um 8,7 % bei einer Laufzeit von 12 Monaten
  • Angleichung der Ostlöhne an das Westniveau im Rahmen eines Stufenplans
  • Einführung eines Tarifvertrages zur betrieblichen Altersvorsorge
  • Aufnahme von Verhandlungen über Angestelltentarifverträge.

Die ersten beiden Verhandlungen am 20.1. und 20.2.2009 blieben ergebnislos, die Arbeitgeber verlangten angesichts des unsicheren wirtschaftlichen Umfeldes eine mehrmonatige Verhandlungspause. In der dritten Verhandlungsrunde Anfang Mai legten sie ein erstes Angebot vor. Es beinhaltete nach 3 Nullmonaten 2,5 % mehr Lohn und Ausbildungsvergütung ab Januar 2010 bis Ende 2011. Die nächste Runde brachte keine Annäherung, die Arbeitgeber sagten einen weiteren bereits vereinbarten Termin ab. Die IG BAU kündigte daraufhin fristgerecht den Mindestlohntarifvertrag zum 30.09.2009. Nach einem Spitzengespräch fand dann eine weitere ergebnislose Verhandlungsrunde Ende Juli statt. Daraufhin erklärte die IG BAU das Scheitern der Verhandlungen.

Arbeitskampf und Ergebnis

Nach Ablauf der Friedenspflicht Anfang Oktober begann eine Warnstreikwelle, an der sich in der ersten Woche bereits mehrere tausend Beschäftigte in über 600 Reinigungsobjekten bundesweit beteiligten. In einer Urabstimmung stimmten 96,7 % der Gewerkschaftsmitglieder für Streik, der dann am 20.10.2009 begann. Bereits in der ersten Woche bestreikten nach Gewerkschaftsangaben rund 5.460 Reinigungskräfte in über 370 Objekte teils mehrfach. Die Streikenden fanden in der Öffentlichkeit große Sympathie. Der "Putzstreik der Unsichtbaren" stieß auch deswegen auf große Zustimmung, weil hier erstmals seit langem eine Gruppe von gering bezahlten Beschäftigten aktiv wurde, die durch den Wegfall des Mindestlohns von massivem Lohndumping bedroht war. Nach Presseberichten boten einzelne Reinigungsunternehmen nach Auslaufen des Mindestlohnes ihren Beschäftigten Verträge zu deutlich schlechteren Konditionen an. Nach zehn Streiktagen einigten sich die Tarifparteien in zähen Verhandlungen auf folgendes Ergebnis:

  • Anhebung der Löhne und Ausbildungsvergütungen um 3,1/3,8 % bis 6,2 % regional unterschiedlich (West inkl. Berlin/Ost) ab 1.1.2010
  • Stufenanhebung um 1,8/2,5 % (West inkl. Berlin/Ost) ab 1.1.2011 bei einer Laufzeit bis zum 31.12.2011
  • Stundenlöhne, die zugleich die neuen Mindestlöhne in der Branche sein sollen, betragen dann in der Innen- und Unterhaltsreinigung 8,40/6,83 € West inkl. Berlin/Ost ab 1.1.2010 und 8,55/7,00 € ab 1.1.2011 sowie in der Glas- und Fassadenreinigung, Reinigung von Verkehrsanlagen 11,13/8,66 € West/Ost ab 1.1.2010 und 11,33/8,88 € ab 1.1.2011
  • Für die Monate Oktober bis Dezember 2009 Wiederinkraftsetzen der alten Tarifverträge für IG BAU-Mitglieder
  • Anhebung der Ausbildungsvergütungen bundeseinheitlich um 15/20/25 € im 1./2./3. Ausbildungsjahr
  • Erstabschluss eines Tarifvertrages zur Regelung einer tariflichen Zusatzrente
    Einstieg in die betriebliche Altersvorsorge: auf jede 100 € Gehaltsumwandlung der Beschäftigten zahlt der Arbeitgeber rund 23 €
  • Verhandlungen über Angestellten-Tarifverträge ab Januar 2010.

Das Ergebnis wurde von den Tarifvertragsparteien innerhalb der Erklärungsfrist ange-nommen. Aus Sicht der IG BAU war der Arbeitskampf ein voller Erfolg. "Sicher ist es ein Kompromiss, aber ein guter", formulierte IG BAU Verhandlungsführer Frank Wynands. So sahen das offenkundig auch die Mitglieder, in der 2. Urabstimmung sprachen sich 94,4 % der Gewerkschaftsmitglieder für die Annahme des Ergebnisses aus. Die Gewerkschaft konnte im Rahmen der Tarifrunde mehr als 5.000 neue Mitglieder gewinnen.

Quelle: WSI-Tarifbericht 2009



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1 Mit Ausnahme der Lohngruppen 8 und 9. Der Lohn-TV basiert auf einem neuen Rahmentarifvertrag, der eben falls für allgemeinverbindlich erklärt wurde.

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