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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2022

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Der Frauenanteil in deutschen Vorständen hat vor allem zwischen 2020 und 2021 einen deutlichen Sprung in den zweistelligen Bereich gemacht: Rund 14 Prozent aller Vorstandssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen werden aktuell von Frauen besetzt (vgl. Grafik 2 und Tab. 1.1).

Zwischen 2008 und 2022 ist der Frauenanteil in den Vorstandsetagen langsam aber kontinuierlich angestiegen. Die Gesamtzahl aller weiblichen Vorstandsmitglieder stieg im Beobachtungszeitraum von 18 Frauen (2008) auf 100 Frauen (2022) an, unter den aktuell insgesamt 695 Vorstandsmitgliedern der 160 größten börsennotierten Unternehmen. Der Frauenanteil hat sich damit – ausgehend von sehr niedrigem Niveau –immerhin mehr als verfünffacht (vgl. Tab. 1.2). Nach dem recht deutlichen Anstieg des Frauenanteils zwischen 2020 und 2021 verlief die jüngste Fortentwicklung von 2021 auf 2022 allerdings wieder zögerlicher. (1)

Deutlich unterschiedliche Frauenanteile in den Vorstandsgremien ergeben sich je nach Unternehmensmitbestimmung, d.h. danach, ob es sich um Vorstände in „mitbestimmten“ oder „nicht-mitbestimmten“ Unternehmen handelt (ob also die Aufsichtsratsgremien dieser Unternehmen, welche den Vorstand wählen, auch aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen zusammengesetzt sind oder ausschließlich aus Vertreter*innen der Anteilseigner*innen) (vgl. Grafik 1). In der Gruppe der 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland fallen die Frauenanteile in mitbestimmten Vorständen (17 Prozent) um 70 Prozent höher aus als in nicht-mitbestimmten Vorständen (10 Prozent): (2)

  • Für mitbestimmte Unternehmen ist über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg knapp eine Versechsfachung des Frauenanteils in den Vorständen zu konstatieren: 2009 stellten Frauen hier weniger als 3 Prozent aller Vorstandsmitglieder, im Jahr 2022 sind es knapp 17 Prozent.
  • In nicht-mitbestimmten Unternehmen vollzog sich dieser Anstieg langsamer. Ausgehend von einem Anteil von 4 Prozent im Jahr 2009 hat sich der Frauenanteil innerhalb des Beobachtungszeitraums knapp verdreifach (2022: 10 Prozent).

Unterschiedliche Anteile weiblicher Vorstandsmitglieder ergeben sich außerdem je nach Börsenindex, zu dem ein Unternehmen gehört, also danach ob es in den Bereich des DAX40 (bis September 2021: DAX30), MDAX oder SDAX fällt (vgl. Grafik 2): Im Jahr 2022 ist insgesamt jedes fünfte Vorstandsmitglied in einem DAX40-Unternehmen weiblich (21 Prozent). Die 40 größten börsennotierten deutschen Unternehmen weisen damit anteilig gesehen im Durchschnitt doppelt so viele weibliche Vorstandsmitglieder auf wie die Unternehmen des MDAX oder SDAX (10 Prozent bzw. 11 Prozent).

Innerhalb des Beobachtungszeitraums lassen sich unterschiedliche Entwicklungsdynamiken der Unternehmen je nach Börsenindex beobachten: Die DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen haben insbesondere in den Jahren 2011 sowie 2017 große Schritte bei der Anhebung ihres Frauenanteils in Vorständen gemacht. Bei den Unternehmen aus MDAX und SDAX variiert die Entwicklung im Beobachtungszeitraum stärker, die weitere Zunahme stagniert hier zudem seit 2020 (MDAX) bzw. seit 2021 (SDAX) (vgl. auch Tab. 1.2).

Einfluss auf die Höhe des Frauenanteils in den Vorständen nimmt – auch innerhalb der jeweiligen Börsenindizes – zusätzlich die Form der Unternehmensmitbestimmung (vgl. Grafik 3).

  • Den geringsten Unterschied zwischen mitbestimmten und nicht-mitbestimmten Unternehmen findet sich 2022 für die DAX40-Unternehmen: Der Frauenanteil im Vorstand ist hier am höchsten, dies gilt in vergleichbarem Umfang für mitbestimmte (21 Prozent) wie nicht-mitbestimmte Unternehmen (21 Prozent).
  • Auch in SDAX-Unternehmen weisen mitbestimmte Unternehmen (12 Prozent) nur einen geringfügig höheren Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder auf als nicht-mitbestimmte Unternehmen (10 Prozent).
  • Anders dagegen in MDAX-Unternehmen: Mitbestimmte Unternehmen weisen einen durchschnittlich fünfmal so hohen Anteil an Frauen im Vorstand auf (15 Prozent) als nicht-mitbestimmte Unternehmen (3 Prozent).

Hintergrund: Das nur zögerliche Anwachsen des Frauenanteils in den Vorständen galt innerhalb des Beobachtungszeitraums lange Zeit für Unternehmen aus MDAX und SDAX, aber auch für die DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen. Wichtige Ursache hierfür ist, dass es in Deutschland bis vor zwei Jahren gar keine verbindlichen Vorgaben zur Besetzung von Unternehmensvorständen nach Geschlecht gab.

Die 2015 eingeführte gesetzliche Geschlechterquote (FüPoG, vgl. Glossar) gilt weiterhin lediglich für Aufsichtsratsgremien – und dies auch nur in börsennotierten und zugleich paritätisch-mitbestimmten Unternehmen – nicht aber für Vorstände. Die darin enthaltene Verpflichtung für alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen, sich selbst Zielvorgaben für die Weiterentwicklung des Frauenanteils im Vorstand zu setzen, hatte zunächst keinen durchschlagenden Effekt. Vielmehr hat sich eine große Zahl der Unternehmen daraufhin zunächst für die niedrigste zulässige Zielvorgabe entschieden.

  • Im Jahr 2018 hatten zwei Drittel der 160 größten börsennotierten Unternehmen noch keine einzige Frau im Vorstand. Dennoch hatten sich zu diesem Zeitpunkt insgesamt 79 Unternehmen von ihnen entweder kein Ziel in Bezug auf die Frauenquote der nächsten Jahre gesetzt oder sich für die Zielgröße „Null“ entschieden. (3)
  • Im Vergleich dazu hat sich die Situation bis zum Jahresende 2022 etwas verbessert: Mit 82 Unternehmen hat „nur“ noch gut die Hälfte der Unternehmen kein weibliches Vorstandsmitglied (darunter allerdings auch sechs DAX40-Unternehmen). (4)
  • Allerdings hinaus finden sich zum Jahresende 2022 auch nur in neun der 160 Unternehmen weibliche Vorstandsvorsitzende (sechs in SDAX-Unternehmen, zwei in DAX40-Unternehmen und eine Frau in einem MDAX-Unternehmen).

Nicht zuletzt wegen dieses langsamen Fortschritts trat im August 2021 mit dem sog. FüPoG II-Gesetz eine Regelung zur geschlechtlichen Mindestbesetzung in Vorständen in Kraft. Sie verlangt von allen paritätisch-mitbestimmten Börsenunternehmen mit mehr als einem dreiköpfigen Vorstand – für alle Besetzungen im Vorstand ab dem 01. August 2022 – mindestens ein weibliches (bzw. ein männliches) Vorstandsmitglied (vgl. Glossar).

  • 11 der hier betrachteten 160 Unternehmen können zum 31.12.2021 die neue gesetzliche Vorgabe gemäß FüPoG II nicht erfüllen, da keins ihrer Vorstandsmitglieder eine Frau ist, obwohl sie alle paritätisch-mitbestimmt sind und einen Vorstand mit mindestens vier Sitzen aufweisen (und sie damit zum Kreis der 59 Unternehmen gehören, die den Bestimmungen des FüPoGII unterliegen).
  • Es handelt sich dabei um sechs SDAX-Unternehmen, drei MDAX-Unternehmen und zwei Unternehmen aus dem DAX40.

Problematisch bleibt, dass das FüPoG II-Gesetz nur für paritätisch-mitbestimmte Unternehmen gilt, nicht jedoch für drittelmitbestimmte oder nicht-mitbestimmte Unternehmen.

  • So weisen zum Jahresende 2022 insgesamt 19 Unternehmen (eins aus dem DAX40 und je neun aus dem MDAX und SDAX) ebenfalls einen mindestens vierköpfigen Vorstand ohne weibliches Mitglied auf – da sie aber nicht paritätisch mitbestimmt sind, unterliegen sie jedoch nicht dem FüPoGII-Gesetz.  

Gerade auch im Fall der nicht paritätisch-mitbestimmten Unternehmen besteht weiter politischer Handlungsbedarf. Denn: „Ähnlich wie bei der Geschlechterquote für Aufsichtsräte zeichnet sich auch mit Blick auf die Vorstände ab, dass gesetzliche Vorgaben ein effektives Instrument sind, um den Frauenanteil in Spitzengremien zu erhöhen…“. (5)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.

 

Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann

 

Literatur

Allbright Stiftung gGmbH (2022): Kampf um die besten Köpfe. Die Konkurrenz um Vorständinnen nimmt zu, Bericht September 2022, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, www.allbright-stiftung.de/berichte, letzter Zugriff 25.09.2023.

BMAS (2021): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, letzter Zugriff 25.09.2023.

DGB Bundesvorstand (2015): Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung, Reihe: diskurs, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, www.boerse-frankfurt.de/wissen/dictionary, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, https://www.mitbestimmung.de/html/geschlechterquote-1189.html, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1, letzter Zugriff: 25.09.2023.

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S.22-33, letzter Zugriff 25.09.2023

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2022): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2022, S.22-33, letzter Zugriff 25.09.2023

Kirsch, Anja/Wrohlich, Katharina (2020): Mehr Frauen in Aufsichtsräten: Hinweise für Strahlkraft der Geschlechterquote auf Vorstände verdichten sich. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 04/2020, S.50-55, letzter Zugriff 25.09.2023.

Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der An-teilseigner- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2021): Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen: Einige Unternehmen sind neuem Gesetz bereits zuvorgekommen. In: DIW Aktuell Nr. 65/2021, S.1-7, letzter Zugriff 25.09.2023.

Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 25.09.2023.

Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 25.09.2023.

Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf.

Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43, letzter Zugriff 25.09.2023.

 


(1) So auch die Analyse des DIW-Managerinnen-Barometers, vgl. Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, Seiten 22-33.

(2) Dieser Effekt zeigt sich in ähnlicher Weise auch für die Gleichstellung in Aufsichtsräten, vgl. Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

(3) Vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, Seite 8.

(4) Die Allbright Stiftung veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die Namen der 160 größten börsennotierten Unternehmen mit mindestens einem 40-Prozent-Frauenanteil im Vorstand, mit mindestens einer Frau im Vorstand bzw. mit keiner einzigen Frau im Vorstand (vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2022): Kampf um die besten Köpfe. Die Konkurrenz um Vorständinnen nimmt zu, Bericht September 2022, Berlin, Seiten 13f.)

(5) Vgl. Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2022): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2022, Seite 22.

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