Quelle: WSI
TarifarchivTarifrunde 2015: Öffentlicher Dienst - Länder
Im öffentlichen Dienst wird jährlich im Wechsel für die Tarifgebiete Bund und Gemeinden bzw. Länder verhandelt. In diesem Jahr standen die Tarifverträge für die Beschäftigten der Länder auf dem tarifpolitischen Terminkalender, die zum Jahresende 2014 ausgelaufen waren (1). Der Abschluss für Bund und Gemeinden aus dem Vorjahr umfasste eine zweistufige Tariferhöhung von 3,0 % (mindestens 90 €) und 2,4 % für 2014 und 2015 und prägte damit auch den Erwartungshorizont für die aktuelle Tarifrunde.
Im Dezember 2014 beschloss die ver.di-Bundestarifkommission die Forderungen für die diesjährige Tarifrunde der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder (ohne Hessen):
- Erhöhung der tariflichen Entgelte um 5,5 %, mindestens jedoch um 175 € im Monat
- Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 100 € im Monat
- Laufzeit 12 Monate
- verbindliche Übernahmeregelung für Auszubildende und Anhebung ihres Urlaubsanspruchs von 27 auf 30 Tage
- Ausschluss sachgrundloser Befristungen.
Ver.di argumentierte wie in den vergangenen Jahren zur Begründung auch mit der Entgeltlücke zwischen dem TV-L und dem TVöD und stellte die gesamte Tarifrunde erneut unter das Motto „Wir sind es wert“. Ein weiteres Thema war die Forderung nach der Vereinbarung einer Entgeltordnung für LehrerInnen, die seit Jahren auf dem Forderungskatalog der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft steht, aber bislang nicht realisiert werden konnte. Und schließlich ging es auch um die betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst (VBL), wo aufgrund der demografischen Entwicklung und der Niedrigzinsentwicklung Anpassungsbedarf bestand. Die bereits geführten Verhandlungen waren allerdings von den Arbeitgebern abgebrochen worden.
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wies die Entgeltforderung der Gewerkschaften als untragbar für die strapazierten Länderhaushalte zurück und wandte sich insbesondere gegen die Mindestbetragsforderung, die in den unteren Einkommensgruppen eine Lohnerhöhung von bis zu 11 % bedeuten würde. Angesichts der niedrigen Inflation ließen die Gewerkschaften hier jeden Realitätssinn vermissen (Pressemeldung vom 18.12.2014).
Es wurden drei Verhandlungsrunden vereinbart. Sowohl die 1. Verhandlungsrunde am 16.02., als auch die 2. Runde am 26./27.02. blieben ohne Ergebnis und Arbeitgeberangebot. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) erklärte laut ver.di, dass ohne eine Absenkung der Arbeitgeberaufwendungen zur Zusatzversorgung bei der VBL kein Ergebnis möglich sei. Dazu seien auch Eingriffe in das Leistungsrecht erforderlich. Ver.di wollte Kürzungen der Betriebsrenten keinesfalls akzeptieren.
Das Angebot zu einer tariflichen Eingruppierung der angestellten Lehrerinnen und Lehrer wurde von den Gewerkschaften als unzureichend bewertet. Die unmittelbare Koppelung der Eingruppierung an das Beamtenrecht führe dazu, dass Verschlechterungen bei den Beamten direkt auf die tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer durchschlagen würden. Ver.di und GEW riefen daher ab 02.03. zu ersten Warnstreiks auf, die ab 11.03., vor der 3. Verhandlungsrunde am 16./17.03., bundesweit ausgeweitet wurden.
Für die Beschäftigten des Landes Hessen erhob ver.di die gleichen Forderungen wie für die übrigen Länder. Hessen war 2004 aus der TdL ausgetreten und führt seitdem eigenständige Verhandlungen. Hier fand die 1. Runde am 06.03. statt, in der die Arbeitgeber ebenfalls kein Angebot vorlegten. Die Landesregierung wollte sich an den Verhandlungen der übrigen Länder orientieren. Auch hier rief ver.di ab dem 11.03. zu Warnstreiks auf.
Auch in der 3. Verhandlungsrunde am 16./17.03.legten die Arbeitgeber kein Angebot zur Entgelterhöhung vor. Im Vorfeld beteiligten sich rund 100.000 Beschäftigte an bundesweiten Warnstreiks. Während die Arbeitgeber weiterhin auf Leistungskürzungen bei der betrieblichen Altersversorgung bestanden, konnte sich ver.di zu deren Sicherung zwar höhere Finanzierungsbeiträge vorstellen, auch durch Beteiligung der ArbeitnehmerInnen. Eine Kürzung wurde jedoch erneut zurückgewiesen.
Die Arbeitgeber legten einen Vorschlag zur Eingruppierung der angestellten Lehrerinnen und Lehrer vor, der eine „Übertragung“ von 15 verschiedenen Beamtengesetzen der Länder auf die Angestellten vorsah, allerdings - wie die GEW kritisch vermerkte - ohne die Vorteile des Beamtenstatus. Nach Auffassung der Gewerkschaften würden dadurch die Unterschiede beim Entgelt zwischen angestellten und verbeamteten Lehrkräften fortgeschrieben, statt einen Einstieg in die Angleichung der Bezahlung gleichwertiger Tätigkeiten zu ermöglichen. Die Tarifvertragsparteien einigten sich auf eine weitere Verhandlungsrunde am 28.03. Zuvor riefen die Gewerkschaften zu verstärkten Warnstreiks vom 24. bis 26.03. auf, an denen sich weitere ca. 80.000 Beschäftigte beteiligten.
In der 4. Verhandlungsrunde konnte dann am 28.03. eine Einigung mit folgenden Ergebnissen erzielt werden:
- Erhöhung der Entgelte nach 2 Nullmonaten (Januar und Februar) ab 01.03.2015 um 2,1 %
- Stufenanhebung um weitere 2,3 %, mindestens jedoch um 75 €, ab 01.03.2016
- Laufzeit bis Ende 2016
- Anhebung der Ausbildungsvergütungen zum gleichen Zeitpunkt um jeweils 30 € sowie Anhebung des Urlaubs von 27 auf 28 Tage
- Verlängerung der bestehenden Übernahmeregelungen für Ausgebildete um 2 Jahre bis Ende 2016.
Die Beiträge der ArbeitnehmerInnen zur Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) werden zur Sicherung der Leistungen schrittweise erhöht. Da diese Beitragserhöhung im Osten aufgrund eines anderen Finanzierungssystems höher ausfällt, wird dort als Ausgleich die Jahressonderzahlung bis 2019 auf das West-Niveau angehoben. Die Tarifvertragsparteien einigten sich auf die Fortsetzung der Gespräche zum Ausschluss sachgrundloser Befristungen, sobald eine von ver.di und dem Bund in Auftrag gegebene Untersuchung zur Befristungspraxis im öffentlichen Dienst vorliegt. Weitere Regelungen betreffen Beschäftigte in Krankenhäusern, an Theatern und Bühnen sowie in Psychiatrien in Baden-Württemberg.
Das Arbeitgeberangebot für einen Eingruppierungsvertrag für Lehrkräfte wurde von GEW und ver.di abgelehnt, da es weder einen verbindlichen Einstieg in die Paralleltabelle noch sonstige Verbesserungen vorsah, jedoch bei Annahme den Eintritt der Friedenspflicht für die Vertragslaufzeit von vier Jahren mit sich gebracht hätte. Die dbb Tarifunion akzeptierte hingegen das Angebot, das ab August 2016 eine Zulage von 30 € für bestimmte Lehrergruppen vorsieht.
Das Tarifergebnis wurde von der Bundestarifkommission bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung zur Annahme in der anschließenden Mitgliederbefragung empfohlen. Sie erbrachte eine Zustimmung von 80,3 % bei ver.di und 79,6 % bei der GEW. In der Bewertung hob ver.di zum einen hervor, dass die Erhöhung der Entgelte in zwei Schritten um durchschnittlich 4,83 % auch eine wirksame soziale Komponente enthielt. Zum anderen beurteilten die Gewerkschaften das Ergebnis bei der Altersversorgung als positiv, weil hier ein Systemwechsel zu einer reinen Beitragszusage verhindert worden sei. Die GEW machte geltend, dass die Gewerkschaft im Hinblick auf die Lehrereingruppierung voll streik- und aktionsfähig bleibe.
Am 14./15.04. konnte in der 2. Verhandlungsrunde für die Beschäftigten des Landes Hessen ein strukturell vergleichbares Tarifergebnis erzielt werden. Die Entgelte erhöhen sich nach 2 Nullmonaten (Januar und Februar) um 2,0 % ab 01.03. sowie um weitere 2,4 %, mindestens jedoch um 80 €/Monat, ab 01.04.2016 mit einer Laufzeit bis 31.12.2016. Auszubildende erhalten zu den gleichen Zeitpunkten jeweils 30 € mehr in allen Ausbildungsjahren, der Urlaub wird für sie von 27 auf 28 Tage angehoben. Die Anpassung der Beiträge zur Altersversorgung wurde analog der übrigen Länder West geregelt und für Ausgebildete die Übernahmeregelung um zwei Jahre verlängert.
Quelle: WSI Tarifpolitischer Halbjahresbericht 2015
(1) Auf Arbeitgeberseite verhandelt die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Auf Gewerkschaftsseite gehört neben ver.di, GEW, IG BAU und GdP seitens des DGB die dbb Tarifunion zu den verhandelnden Gewerkschaften.