Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast : Corona: So geht es den Beschäftigten (Sonderausgabe mit Bettina Kohlrausch)
WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch und Marco Herack sprechen über eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung, die der Frage nachgeht, wie sich die Lage der Beschäftigten in der Krise entwickelt hat.
[28.07.2020]
Wie geht es den Beschäftigten in Deutschland aktuell? Bettina Kohlrausch, die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, findet die Antwort recht kompliziert, nachdem ihr erste Ergebnisse einer neuen Online-Befragung vorliegen, bei der zwischen Mitte und Ende Juni 6.309 Erwerbstätige interviewt wurden.
Anzunehmen war, dass es den Menschen schlechter als in den Monaten zuvor geht – auch da die Krise damals erst angefangen hatte. Ein Resultat der Befragung war aber vielmehr, dass dies nicht zutrifft. Es war eher Zuversicht zu sehen und ein Rückgang der Sorgen. Eine Erklärung hierfür ist sicherlich, dass es unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft gibt, die es unterschiedlich hart trifft. Die Geringverdiener, die meist auch schlechter qualifiziert sind, sind stärker betroffen als gutverdienende und gutqualifizierte Menschen.
Die Gehaltverluste, die die Menschen aktuell haben, sind weniger auf Jobverluste zurückzuführen als vielmehr auf die Kurzarbeit, in der sich viele befinden. Diese hat selbstverständlich einen großen positiven Effekt, da sie den Menschen Sicherheit gibt, indem sie nicht gekündigt werden. Ihnen wird signalisiert, dass es nur temporär nicht genügend Arbeit gibt, der Zustand sich aber bald wieder bessern kann.
Gewisses Zutrauen in die Maßnahmen
Die Maßnahmen der Bundesregierung – wie beispielsweise das Kurzarbeitergeld – scheinen in der Bevölkerung ein gewisses Grundvertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Landes und des Arbeitsmarktes geschaffen zu haben. Wie krisenfest diese Institution tatsächlich auch im Hinblick auf mögliche soziale Krisen sind, ist noch nicht entschieden. Wie stark die soziale Ungleichheit in Folge von Corona zunimmt, wird sich erst im nächsten halben bis ganzen Jahr, oder auch erst in den kommenden Jahren entscheiden. Trotz alledem existiert de facto auch das Wissen, dass Arbeit nicht vor Armut schützt, da es in Deutschland einen wahnsinnig großen Niedriglohnsektor gibt.
Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist vermeintlich in den letzten Monaten nicht gestiegen. Sorgen um die finanzielle Situation und die wirtschaftliche Zukunft gibt es natürlich – vor allen bei Selbstständigen sind Existenzängste stärker ausgeprägt. Abhängig Beschäftigte besitzen vielleicht nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der letzten Finanzkrise weniger Angst.
Eltern und vor allem Mütter deutlich stärker belastet
Eltern fühlen sich in der Krise stärker belastet als Kinderlose – und sind es ja auch faktisch. Sie haben häufiger ihre Arbeitszeit reduziert. Frauen haben sich insgesamt stärker aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen – Mütter auch stärker als Väter. Es ist davon auszugehen, dass das auch eine Folge der zusätzlichen Kinderbetreuung ist, die zwangsläufig anfällt, wenn Schulen und Kindergärten geschlossen sind. Da der überwiegende Teil dieser Arbeit von Frauen übernommen wird, ergibt sich ein hohes Risiko hinsichtlich der Geschlechterungleichheit.
Homeoffice funktioniert in mitbestimmten Unternehmen besser
Das große Problem am Homeoffice sind meist Chefs, die sich daran gewöhnen müssen, dass manche Arbeitnehmer ihre Emails um sechs Uhr morgens lesen und bearbeiten möchten, andere lieber um 23 Uhr. Vorgesetzte müssten eigentlich lernen, beides zuzulassen. Aber: Sie dürfen es auch nicht erwarten.
Homeoffice scheint viel besser in Betrieben zu klappen, in denen die Gewerkschaften mitreden, also da wo klarere Regeln und Strukturen mit dem Arbeitnehmer ausgehandelt wurden. Wenn es Regelung zum Homeoffice gibt, sind die Erwerbstätigen in der Regel zufriedener, sie wünschen sich häufiger auch nach der Krise mehr im Homeoffice zu arbeiten, und sie finden die Arbeit weniger belastend.
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann