WSI GenderDatenPortal: Sorgearbeit: Dauer des Bezugs von Elterngeld/Elterngeldplus 2007-2021
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Die Bezugsdauer des Elterngeldes fällt in Deutschland für im Jahr 2021 geborene Kinder für Mütter und Väter gegensätzlich aus: Während die Mehrheit der Väter nur die zwei sog. Partnermonate in Anspruch nimmt, nutzt die große Mehrheit der Mütter das Elterngeld für zehn bis 14 Monate (vgl. Grafik 1).
Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2007 bis 2021 hat sich die Bezugsdauer bei Müttern und Vätern unterschiedlich entwickelt:
- Der Anteil der Mütter, die mindestens 10 Monate Elterngeld beziehen, beträgt über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg fast durchgängig 94 bis 95 Prozent. Seit der Einführung von ElterngeldPlus (im 2. Halbjahr 2015) weiten Mütter die Dauer ihres Elterngeldbezugs teilweise noch darüber hinaus aus: Für ein im Jahr 2021 geborenes Kind bezieht inzwischen mehr als ein Viertel der Mütter sogar 15 und mehr Monate Elterngeld. Im Durchschnitt nehmen Mütter für ihre im Jahr 2021 geborenen Kinder 13,9 Elterngeldmonate in Anspruch. (1)
- Der Anteil der Väter, der nur die sog. zwei Partnermonate in Anspruch nimmt, ist von 2007 bis zum ersten Halbjahr 2015 zunächst stark angestiegen – von 67 Prozent (2007) auf 81 Prozent (2015). Dies ist vor allem den gestiegenen Nutzerzahlen unter den erwerbstätigen Vätern geschuldet. (2) Denn: Väter nutzen im Durchschnitt mehr Elterngeldmonate, wenn sie vor der Geburt nicht erwerbstätig waren. (3) Seit der Einführung von ElterngeldPlus (im 2. Halbjahr 2015) nehmen drei Viertel der Väter nur die zwei sog. Partnermonate in Anspruch, während inzwischen ein Fünftel der Väter drei bis neun Elterngeldmonate bezieht (19 Prozent). Im Durchschnitt nehmen Väter für ihre im Jahr 2021 geborenen Kinder 3,3 Elterngeldmonate in Anspruch. (4)
Mit der Einführung von ElterngeldPlus für Geburten ab dem 2. Halbjahr 2015 gingen deutliche Veränderungen in den Nutzungsmustern einher. Seitdem kann das Elterngeld nun über einen längeren Zeitraum bezogen werden, indem ein (Basis-)Elterngeldmonat in jeweils zwei ElterngeldPlus-Monate umgewandelt werden kann (bei allerdings in der Regel halbiertem Leistungsanspruch in den ElterngeldPlus-Monaten). Insbesondere Elternpaare, die beide – auch parallel zueinander – den Elterngeldbezug mit eigener Teilzeitarbeit kombinieren wollen, profitieren hiervon. Sie waren vor der Reform benachteiligt, weil sie ihre insgesamt verfügbaren Elterngeldmonate durch den parallelen Elterngeldbezug schnell verbraucht hatten, ohne ihr zur Verfügung stehendes Elterngeldbudget vollumfänglich abrufen zu können. (5) Vor der Einführung des ElterngeldPlus erfolgte die Aufteilung der Elterngeldmonate in den Paaren zumeist nach dem Modell „12+2 Monate“: Die Mütter bezogen dabei überwiegend zwölf Monate Elterngeld, die Väter nur zwei Monate. (6) Die Einführung des ElterngeldPlus zielte daher gezielt darauf ab, hier mehr Wahlmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Elterngeldzeit zu schaffen, die Kombination von Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit gerade auch für Väter attraktiver zu machen und Elternpaare zu unterstützen, die sich Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich teilen möchten.
In der Praxis wird das ElterngeldPlus jedoch nicht so häufig von Vätern bzw. auch nicht so deutlich in partnerschaftlicher Weise genutzt, wie erhofft: Wenn überhaupt, wird ElterngeldPlus vor allem von Müttern zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums eingesetzt und deutlich weniger von Vätern. So nutzt 2021 deutschlandweit rund jede dritte überhaupt elterngeldbeziehende Mutter (32 Prozent), aber nur jeder siebte elterngeldbeziehende Vater (14 Prozent) auch ElterngeldPlus-Monate (vgl. Grafik 3).
Der verlängernde Effekt von Elterngeld-Plus wirkt sich damit für Mütter und Väter unterschiedlich stark aus (vgl. Grafik 2):
- Der Anteil an Müttern mit zehn bis 14 Elterngeld-Monaten fällt für den Geburtsjahrgang 2021 um 26 Prozentpunkte niedriger aus (im Vergleich zu den im ersten Halbjahr 2015 geborenen Kindern); während der Anteil an Müttern mit mindestens 15 Elterngeld-Monaten um 27 Prozentpunkte gestiegen ist.
- Der Anteil an Vätern mit nur zwei Elterngeld-Monaten fällt für den Geburtsjahrgang 2021 um rund 7 Prozentpunkte niedriger aus (im Vergleich zu den im ersten Halbjahr 2015 geborenen Kindern); während der Anteil an Vätern mit drei bis neun Elterngeld-Monaten um rund 7 Prozentpunkte angestiegen ist.
Der geschlechterbezogene Abstand der durchschnittlichen Elterngelddauer von Müttern und Vätern beträgt aktuell 10,6 Monate (Geburtsjahrgang 2021) und hat damit innerhalb des Beobachtungszeitraums 2007 bis 2021 einen neuen Höchststand erreicht. Der Grund dafür liegt auch in der unterschiedlich intensiven Nutzung von Elterngeld-Plus durch Mütter und Väter.
Für Geburten seit Juli 2015 wird eine partnerschaftliche Aufteilung des Elterngeldes zudem mit dem Partnerschaftsbonus gefördert. Dabei erhalten beide Elternteile zwei bis maximal vier zusätzliche ElterngeldPlus-Monate, wenn beide in dieser Zeit gleichzeitig 24 bis 32 Wochenstunden im monatlichen Durchschnitt arbeiten und sich die Erziehung des Kindes teilen (vgl. Glossar). Diese Möglichkeit nutzen bisher jedoch nur sehr wenige Paare: Lediglich rund 2 Prozent aller elterngeldbeziehenden Mütter und rund 4 Prozent aller elterngeldbeziehenden Väter haben zusätzlich auch noch den Partnerschaftsbonus für ihre im Jahr 2021 geborenen Kinder in Anspruch genommen (vgl. Tab. 1).
Der Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland zeigt eine ungleiche Inanspruchnahme von ElterngeldPlus für im Jahr 2021 geborene Kinder in den einzelnen Bundesländern (vgl. Grafik 3). In Ostdeutschland nehmen Väter etwas häufiger ElterngeldPlus in Anspruch als in Westdeutschland (17,5 gegenüber 13,5 Prozent). Innerhalb Ostdeutschlands gilt, dass Väter sich in wirtschaftlich stärkeren Bundesländern häufiger am ElterngeldPlus beteiligen (Sachsen und Thüringen). In Westdeutschland besteht ein leichtes Nord-Süd-Gefälle: In überdurchschnittlichem Maße nutzen Väter das ElterngeldPlus in Bremen oder Hamburg, unterdurchschnittlich ist die Nutzung dagegen etwa im Saarland, in Rheinland-Pfalz oder in Bayern.
Die Entscheidung von Paaren über ihr gemeinsames Nutzungsmuster beim Elterngeld hängt davon ab, wie die beruflichen Ressourcen innerhalb des Paares verteilt sind, vor allem in Bezug auf Qualifikation, Arbeitszeitdauer und Einkommenshöhe. Ein längerer Bezug des Basis-Elterngeldes durch Väter wird durch folgende Bedingungen begünstigt: Die beruflichen Ressourcen im Paar sind gleichverteilt; das Paar folgt einem egalitären Leitbild, die Erwerbs- und Erziehungsarbeit wird in gleichem Maße aufgeteilt; die Mütter weisen eine starke Berufsorientierung oder aktuell gute berufliche Aussichten auf; die Vertretung des Vaters am Arbeitsplatz ist während seiner Elternzeit geregelt. Wichtig sind zudem die Berufs- und Karriereorientierungen (insbesondere der Mütter) sowie die konkreten Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Betrieben beider Elternteile. (7)
Zwei zentrale (gleichstellungspolitische) Ziele hat das Elterngeld bereits erreicht: Auch Mütter (und Väter) mit höheren Einkommen können ihre Erwerbsarbeit im ersten Jahr nun mit Unterstützung durch eine staatliche Transferzahlung unterbrechen bzw. ihre Erwerbsunterbrechung verlängern (auf das Erziehungsgeld vor 2007 hatten sie häufig keinen Anspruch), während Mütter (und Väter) mit niedrigen Einkommen einen Anreiz haben, ab dem zweiten Jahr schneller auf den Arbeitsmarkt zurückkehren (nachdem sie im ersten Lebensjahr abgesichert waren). (8) Ein weiteres Ziel des Elterngeldes ist die stärkere Gleichverteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit auf beide Elternteile.
Aber: Vorliegende Zeitverwendungsdaten weisen darauf hin, dass die Arbeitsteilung in vielen Paaren weiterhin einem traditionellen Rollenbild folgt. (9) Studien zur Arbeitsteilung von Paaren zeigen, dass eine egalitäre Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit am ehesten eintritt, wenn beide Elternteile jeweils eine Zeit lang alleine mit dem Kind zu Hause sind. (10) Deshalb raten Expert*innen auch dazu, die Anzahl der – nur bei Inanspruchnahme durch den zweiten Elternteil – zusätzlich gewährten Partnermonate zu erhöhen. (11)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau
Literatur
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (o.J.): Neuregelungen beim Elterngeld für Geburten ab 1. April 2024, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Ehnis, Patrick/Beckman, Sabine (2019): „Krabbeln lerne ich bei Mama, laufen dann bei Papa“ – Zur Einbeziehung von Vätern bei Elterngeld und Elternzeit – eine kritische Betrachtung. In: Feministische Studien 2/10, S. 313-324, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Geyer, Johannes/Krause, Alexandra (2016): Veränderungen der Erwerbsanreize durch das Elterngeld Plus für Mütter und Väter. DIW Discussion Paper 1592, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Huebener, Mathias/Müller, Kai-Uwe/Neumann, Michael/Wrohlich, Katharina (2016): Zehn Jahre Elterngeld: Eine wichtige familienpolitische Maßnahme. In: DIW Wochenbericht 49, S. 1159-1166, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Müller, Kai-Uwe/Neumann, Michael/Wrohlich, Katharina (2015): Familienarbeitszeit: mehr Arbeitszeit für Mütter, mehr Familienzeit für Väter. In: DIW Wochenbericht 46/2015: Familienarbeitszeit „reloaded“, S. 1095-1103, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Pfahl, Svenja/ Reuyß, Stefan (2022): Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes. Unter Mitarbeit von Maike Wittmann. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin, letzter Zugriff 23.09.2024.
Pfahl, Svenja/Reuyß, Stefan/Hobler, Dietmar/Weeber, Sonja (2014): Nachhaltige Effekte der Elterngeldnutzung durch Väter: Gleichstellungspolitische Auswirkungen der Inanspruchnahme von Elterngeldmonaten durch erwerbstätige Väter auf betrieblicher und partnerschaftlicher Ebene. Projektbericht SowiTra. Berlin, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2024): Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit (inkl. Fürsorgearbeit und Ehrenamt) 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
Statistisches Bundesamt (2024): Statistischer Bericht, Elterngeld – Beendete Leistungsbezüge für im Jahr 2021 geborene Kinder (Excel-Datei), Wiesbaden, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Statistisches Bundesamt (2021): Bundesstatistik zum Elterngeld. Qualitätsbericht, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Unterhofer, Ulrike/Welteke, Clara/Wrohlich, Katharina (2017): Elterngeld hat soziale Normen verändert. DIW Wochenbericht Nr. 34, S. 659–667, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Wrohlich, Katharina/Zucco, Aline (2023): 15 Jahre Elterngeld, Auswirkungen und Reformoptionen, Wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI): Working Paper Forschungsförderung, Nr. 281, 04/2023, Düsseldorf, letzter Zugriff: 23.09.2024.
(1) Für die in den Jahren 2007 bis 2015 (1. Halbjahr) geborenen Kinder hatten Mütter eine recht konstante durchschnittliche Bezugsdauer von 11,4 bis 11,7 Monaten. Auch vor der Elterngeldreform waren lange Bezugszeiträume üblich. Eine längere Nutzungsdauer als 12 Monate war zu diesem Zeitpunkt auf Alleinerziehende zurückzuführen, die einen Anspruch auf bis zu 14 Elterngeldmonate hatten. (Die Daten sind den entsprechenden Statistiken zum Elterngeld des Statistischen Bundesamtes entnommen.)
(2) Zwischen dem Jahr 2007 und dem ersten Halbjahr 2015 ist der Anteil der männlichen Elterngeldnutzer, die vor dem Bezug erwerbstätig waren, von 78 Prozent auf 92 Prozent angestiegen. (Die Daten sind den entsprechenden Statistiken zum Elterngeld des Statistischen Bundesamtes entnommen.)
(3) Für den Geburtsjahrgang 2007 betrug die durchschnittliche Elterngeldnutzung von Vätern 5,7 Monate, wenn sie davor nicht erwerbstätig waren, aber „nur“ 3,8 Monate, wenn sie zuvor erwerbstätig waren. Bis zum ersten Halbjahr 2015 sanken die entsprechenden Werte auf 5,3 Monate bzw. 2,8 Monate. Die durchschnittliche Bezugsdauer hat also in beiden Gruppen bis zur Einführung von ElterngeldPlus abgenommen – bei deutlich unterschiedlicher Dauer von zuvor erwerbstätigen und nicht-erwerbstätigen Vätern. Für den Geburtsjahrgang 2021 beträgt die durchschnittliche Elterngeldnutzung von Vätern hingegen 6,7 Monate, wenn sie davor nicht erwerbstätig waren, aber nur 3,1 Monate für zuvor nicht-erwerbstätige Väter. Die durchschnittliche Bezugsdauer ist somit in beiden Gruppen wieder angestiegen, gleichzeitig hat sich die Diskrepanz zwischen beiden Gruppen hinsichtlich der Bezugsdauer deutlich verstärkt. (Die Daten sind den entsprechenden Statistiken zum Elterngeld des Statistischen Bundesamtes entnommen.)
(4) Zwischen dem Jahr 2007 und dem ersten Halbjahr 2015 hat sich die durchschnittliche Bezugsdauer von Vätern um mehr als ein Viertel verringert – von 4,2 Monaten auf 3,0 Monate. Mit Einführung von ElterngeldPlus im zweiten Halbjahr 2015 ist die durchschnittliche Bezugsdauer wieder gestiegen und liegt seitdem recht konstant bei 3,4 bzw. zuletzt 3,3 Monaten. (Die Daten sind den entsprechenden Statistiken zum Elterngeld des Statistischen Bundesamtes entnommen.)
(5) Vgl. auch Pfahl, Svenja/ Reuyß, Stefan (2022): Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes. Friedrich-Ebert-Stiftung. Vgl. auch Glossar.
(6) Vgl. auch Unterhofer, Ulrike/Welteke, Clara/Wrohlich, Katharina (2017): Elterngeld hat soziale Normen verändert; oder Ehnis, Patrick/Beckman, Sabine (2019): „Krabbeln lerne ich bei Mama, laufen dann bei Papa“.
(7) Vgl. Pfahl, Svenja et al. (2014): Nachhaltige Effekte der Elterngeldnutzung durch Väter: Gleichstellungspolitische Auswirkungen der Inanspruchnahme von Elterngeldmonaten durch erwerbstätige Väter auf betrieblicher und partnerschaftlicher Ebene. Projektbericht SowiTra. Berlin, S. 68ff.
(8) Vgl. Wrohlich, Katharina/Zucco, Aline (2023): 15 Jahre Elterngeld, Auswirkungen und Reformoptionen, S. 14.
(9) Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2024): Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit (inkl. Fürsorgearbeit und Ehrenamt) 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
(10) Vgl. Wrohlich, Katharina/Zucco, Aline (2023): 15 Jahre Elterngeld, Auswirkungen und Reformoptionen, S. 18.
(11) A.a.O., S. 18. Aus diesem Grund wurde zum 01. April 2024 der Parallel-Bezug von Basiselterngeldmonaten durch beide Eltern neu geregelt und eingeschränkt (vgl. Glossar), was langfristig eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit beider Elternteile – im Sinne eines abwechselnd nacheinander“ – fördern soll, vgl. BMFSFJ (o.J.): Neuregelungen beim Elterngeld für Geburten ab 1. April 2024.