WSI GenderDatenPortal: Sorgearbeit: Elterngeldbezug in Deutschland 2008-2021
Grafiken, Analysen, Tabellen (pdf)
Nahezu alle Mütter haben für ihre in den Jahren 2008 bis 2021 geborenen Kinder Elterngeld in Anspruch genommen. Der Anteil der Elterngeld beziehenden Mütter liegt in allen Jahren bei etwa 98 Prozent (vgl. Grafik 1). Im Vergleich beteiligen sich Väter seltener am Elterngeldbezug: Für die im Jahr 2021 geborenen Kinder haben immer noch weniger als die Hälfte aller Väter von ihrem Anspruch auf Elterngeld Gebrauch gemacht (46 Prozent).
Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2008 bis 2021 hat der Anteil der Väter, die Elterngeld beziehen, mehr als verdoppelt: Für die 2008 geborenen Kinder bezog nur jeder fünfte Vater (21 Prozent) Elterngeld, für die im Jahr 2021 geborenen Kinder jedoch knapp die Hälfte aller Väter (46 Prozent). Damit nutzen wesentlich mehr Väter das 2007 eingeführte Elterngeld als das zuvor bis 2006 bestehende Erziehungsgeld, welches zuletzt nur von 3 Prozent der Väter in Anspruch genommen wurde. (1)
Die zusätzlichen Instrumente ElterngeldPlus, als auch der Partnerschaftsbonus im Elterngeld (vgl. Glossar) sind zum Juli 2015 in Kraft getreten – verbunden mit der Absicht, Wahlmöglichkeiten für Eltern zu erweitern, die Väterbeteiligung zu steigern und explizit partnerschaftliche Nutzungsmuster zu unterstützen. Dies schlägt sich jedoch nicht in den Daten der Elterngeldstatistik bis 2021 nieder: Die Väterbeteiligung steigt zwar seit Jahren kontinuierlich leicht an, darüber hinaus ist für die Geburtsjahre 2016 bis 2021 jedoch kein „zusätzlicher“ Effekt zu beobachten. Ab dem Geburtsjahr 2016 flachte die jährliche Steigerung in der Väterbeteiligung sogar eher leicht ab. Dies wirft Zweifel auf, ob mit dem Angebot von ElterngeldPlus und/oder Partnerschaftsbonus tatsächlich „zusätzliche“ Väter für den Elterngeldbezug gewonnen werden konnten. (2)
Der regionale Vergleich zeigt, dass Väter in Ostdeutschland seit 2008 das Elterngeld durchgängig zu einem höheren Anteil nutzen als Väter in Westdeutschland (vgl. Grafik 2). Für 2021 beträgt der Abstand zwischen Elterngeld-nutzenden Vätern in Ostdeutschland (49,4 Prozent) und Westdeutschland (45,6 Prozent) knapp 4 Prozentpunkte.
Zugleich bestehen große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern (vgl. Grafik 3): Im Jahr 2021 beziehen immerhin bereits in fünf Bundesländern – Sachsen (56 Prozent), Bayern (54 Prozent), Thüringen (52 Prozent), Brandenburg (51 Prozent) und Baden-Württemberg (50 Prozent) – mindestens die Hälfte aller Väter Elterngeld. Noch vor drei Erhebungsjahren (für 2018 geborene Kinder) hatte nur Sachsen die 50-Prozent-Beteiligung von Vätern erreicht.
Hintergrund: Der Vergleich nach Bundesländern macht deutlich, dass der Elterngeldbezug durch Väter nicht nur von einem Ost-West-Gefälle, sondern von einem noch stärkeren Süd-Nord-Gefälle geprägt ist (mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin und Hamburg). Es sind gerade die Bundesländer mit guter/stabiler Arbeitsmarktlage, in denen Väter ihren Anspruch auf Elterngeld häufiger nutzen. Vorliegende Forschungsergebnisse bestätigen, dass ökonomische Faktoren und gesicherte Beschäftigungsverhältnisse einen starken Einfluss auf die Elterngeldnutzung von Vätern haben. Finanzielle Einschränkungen und berufsbezogene Konsequenzen sind für Väter die häufigsten Gründe, sich gegen eine Elternzeit zu entscheiden oder diese kurz zu halten. (3) Hingegen konnte eine stärkere Nutzung des Elterngeldes für Väter nachgewiesen werden, die selbst einen hohen Bildungsabschluss haben, unbefristet beschäftigt sind und in größeren Unternehmen arbeiten. (4)
Entscheidend für die Nutzungsmuster von Müttern und Vätern ist außerdem, dass die Inanspruchnahme des Elterngeldes immer im Paarkontext entschieden wird. Ob und wie lange Väter in Elterngeldbezug gehen, hängt von den ökonomischen Ressourcen beider Partner*innen ab. So gehen Väter eher in Elternzeit, wenn ihr*e Partner*in erwerbstätig ist und ein eher hohes Einkommen erwirtschaftet. Neben der Arbeitsmarktlage spielt daneben das lokale Angebot an institutioneller Kinderbetreuung eine Rolle: Die Angebote zur institutionellen Betreuung von Kindern unter drei Jahren sind in Ostdeutschland nach wie vor deutlich größer als in Westdeutschland. (5)
Zusätzlich zur gestiegenen Väterbeteiligung hat das Elterngeld zwei zentrale (gleichstellungspolitische) Ziele bereits erreicht: Auch Mütter (und Väter) mit höheren Einkommen können ihre Erwerbsarbeit im ersten Jahr nun mit Unterstützung durch eine staatliche Transferzahlung unterbrechen bzw. ihre Erwerbsunterbrechung verlängern (auf das Erziehungsgeld vor 2007 hatten sie häufig keinen Anspruch), während Mütter (und Väter) mit niedrigen Einkommen einen Anreiz haben, ab dem zweiten Lebensjahr schneller auf den Arbeitsmarkt zurückkehren (nachdem sie im ersten Lebensjahr abgesichert waren). (6) Ein weiteres Ziel des Elterngeldes ist die stärkere Gleichverteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit auf beide Elternteile. Studien dazu zeigen jedoch, dass dieser Effekt am ehesten eintritt, wenn beide Elternteile jeweils eine Zeit lang alleine mit dem Kind zu Hause sind, während der andere erwerbstätig ist. (7) Deshalb raten Expert*innen auch dazu, die Anzahl der – nur bei Inanspruchnahme durch den zweiten Elternteil – zusätzlich gewährten Partnermonate zu erhöhen. (8)
Aber: Weiterhin muss konstatiert werden, dass die Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit nach wie vor einem traditionellen Rollenbild folgt. (9) Die meisten Väter nehmen auch im Jahr 2021 immer noch nur die beiden sog. Partnermonate in Anspruch. (10)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau
Literatur
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (o.J.): Neuregelungen beim Elterngeld für Geburten ab 1. April 2024, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Geyer, Johannes/Krause, Alexandra (2016): Veränderungen der Erwerbsanreize durch das Elterngeld Plus für Mütter und Väter. DIW Discussion Paper 1592, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Hobler, Dietmar/Pfahl, Svenja (2015): Einflussfaktoren auf die Arbeitszeitdauer von Vätern nach den Elterngeldmonaten, Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, letzter Zugriff: 24.09.2024.
Huebener, Mathias/Müller, Kai-Uwe/Neumann, Michael/Wrohlich, Katharina (2016): Zehn Jahre Elterngeld: Eine wichtige familienpolitische Maßnahme. In: DIW Wochenbericht 49/2016, S. 1159-1166, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Müller, Kai-Uwe/Neumann, Michael/Wrohlich, Katharina (2015): Familienarbeitszeit: mehr Arbeitszeit für Mütter, mehr Familienzeit für Väter. In: DIW Wochenbericht 46/2015: Familienarbeitszeit „reloaded“, S. 1095-1103, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2024a): Dauer des Bezugs von Elterngeld/ElterngeldPlus 2007 – 2021. In: WSI GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2024b): Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit (inkl. Fürsorgearbeit und Ehrenamt) 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2023): Betreuungsquoten von Kindern unter drei Jahren nach Alter 2010 – 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja/Reuyß, Stefan (2022): Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes. Unter Mitarbeit von Maike Wittmann. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin, letzter Zugriff 23.09.2024.
Samtleben, Claire/Schäper, Clara/Wrohlich, Katharina (2019): Elterngeld und Elterngeld Plus: Nutzung durch Väter gestiegen, Aufteilung zwischen Müttern und Vätern aber noch sehr ungleich. In: DIW Wochenblick 35/2019, S. 607-614, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Statistisches Bundesamt (2024): Statistischer Bericht, Elterngeld – Beendete Leistungsbezüge für im Jahr 2021 geborene Kinder (Excel-Datei), Wiesbaden, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Statistisches Bundesamt (2022): Statistik zum Elterngeld – Beendete Leistungsbezüge für im Jahr 2019 geborene Kinder. Januar 2019 bis März 2022, Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt (2021): Bundesstatistik zum Elterngeld. Qualitätsbericht, letzter Zugriff: 23.09.2024.
Wrohlich, Katharina/Zucco, Aline (2023): 15 Jahre Elterngeld, Auswirkungen und Reformoptionen, Wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI): Working Paper Forschungsförderung, Nr. 281, 04/2023, Düsseldorf, letzter Zugriff: 23.09.2024.
(1) Vgl. Samtleben, Claire/Schäper, Clara/Wrohlich, Katharina (2019): Elterngeld und Elterngeld Plus, S. 609.
(2) Mehr zur Diskussion der partnerschaftlichen Effekte des Elterngeldes in Pfahl, Svenja/Reuyß, Stefan (2022): Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes.
(3) Vgl. Samtleben, Claire/Schäper, Clara/Wrohlich, Katharina (2019): Elterngeld und Elterngeld Plus, S. 610f.
(4) Vgl. Huebener et al. (2016): Zehn Jahre Elterngeld: Eine wichtige familienpolitische Maßnahme, S. 1163.
(5) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2023): Betreuungsquoten von Kindern unter drei Jahren nach Alter 2010 – 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
(6) Vgl. Wrohlich, Katharina/Zucco, Aline (2023): 15 Jahre Elterngeld, Auswirkungen und Reformoptionen, S. 14.
(7) A.a.O., S. 18. Vgl. auch Hobler, Dietmar/Pfahl, Svenja (2015): Einflussfaktoren auf die Arbeitszeitdauer von Vätern nach den Elterngeldmonaten.
(8) A.a.O., S. 18 sowie auch: Pfahl, Svenja/Reuyß, Stefan (2022): Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes, Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 19. Aus diesem Grund wurde zum 01. April 2024 der Parallel-Bezug von Basiselterngeldmonaten durch beide Eltern neu geregelt und eingeschränkt (vgl. Glossar), was langfristig eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit beider Elternteile – im Sinne eines „abwechselnd nacheinander“ – fördern soll, vgl. BMFSFJ (o.J.): Neuregelungen beim Elterngeld für Geburten ab 1. April 2024.
(9) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau Eugen (2024b): Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit (inkl. Fürsorgearbeit und Ehrenamt) 2022. In: WSI GenderDatenPortal.
(10) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2024a): Dauer des Bezugs von Elterngeld/ElterngeldPlus 2007 – 2021. In: WSI GenderDatenPortal.