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WSI GenderDatenPortal: Sorgearbeit: Pflegende Frauen und Männer 2001-2015

Grafiken, Analysen, Tabellen (pdf)

 

Die familiäre Pflege ist zwischen Frauen und Männern sehr unterschiedlich verteilt: In Deutschland tragen Frauen nach wie vor die Hauptlast der unbezahlten Pflegetätigkeiten. Im Jahr 2015 sind fast 4,6 Millionen Menschen an der privaten (nicht erwerbsmäßigen) Pflege von pflegebedürftigen Personen beteiligt (Grafik 1). (Als Pflegende werden hier alle Personen über 16 Jahre definiert, die pro Woche mindestens 1 Stunde unbezahlt pflegen). Frauen stellen mit fast 2,8 Millionen die Mehrheit an allen Pflegenden, allerdings sind auch 1,8 Millionen Männer an der privaten Pflege beteiligt. Damit beträgt der Frauenanteil an allen privat Pflegenden 60 Prozent.

Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2001 bis 2015 hat die Zahl der Frauen und Männer mit privater Pflegeverantwortung von rund 3 Mio. (2001) auf rund 4,5 Mio. (2015) Personen zugenommen. Dabei lag der Anteil der Männer mit privater Pflegeverantwortung stets bei einem Drittel oder mehr. Über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg ist zudem eine leichte Zunahme des Männeranteils an der Gesamtzahl der Pflegenden in Deutschland festzustellen.(1)

Der im Vergleich zu anderen Statistiken relativ hohe Männeranteil an den Pflegepersonen ist auf die besondere Abgrenzung der betrachteten Pflegesituationen zurückzuführen. So werden hier alle Pflegetätigkeiten innerhalb eines weiten Spektrums erfasst, gemäß der Selbsteinschätzung der Befragten. Zum anderen werden bereits Pflegetätigkeiten ab einem Stundenumfang von einer Stunde pro Woche erfasst. Aus der Pflegeforschung ist bekannt, dass Männer bei der häuslichen Pflege von Angehörigen häufig mit geringerem Stundeneinsatz pflegen, d.h. oftmals eine unterstützende Rolle einnehmen, während Frauen wesentlich häufiger die Hauptverantwortung für die Pflegesituation übernehmen, als sog. Hauptpflegende.(2) Aus diesem Gründen erscheint hier der Anteil der Männer an allen privat Pflegenden auffallend hoch.

Im Gegensatz dazu fällt der Frauenanteil unter den Pflegenden dann höher aus, wenn der Mindeststundenumfang bei der Pflege höher angesetzt wird: Dies trifft etwa auf die Betrachtung der pflichtversicherten Pflegepersonen zu, d. h. der nicht erwerbsmäßig Pflegenden, die mindestens 14 Stunden pro Woche pflegen und (daher) höchstens 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind (Grafik 2). Zu dieser Gruppe zählen im Jahr 2016 rund 370.000 Frauen, aber nur 49.000 Männer. Die große Mehrheit der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Pflegepersonen sind also weiblich (88 Prozent).

Eine der Hauptursachen für den hohen Frauenanteil unter den pflichtversicherten Pflegepersonen dürfte sein, dass pflegende Frauen häufiger als Männer in einer Teilzeit unter 30 Wochenstunden erwerbstätig sind. Aus diesem Befund kann aber nicht abgeleitet werden, dass Männer im Erwerbsalter kaum an der Pflege von Angehörigen beteiligt sind. Allerdings reduzieren Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger, wenn sie Pflegeverantwortung wahrnehmen, während Männer ihren Erwerbsumfang seltener reduzieren, und sich eher als Helfende in der Pflege von Angehörigen engagieren. Aktuelle Studien zur häuslichen Pflege belegen, dass jede dritte Hauptpflegeperson (die im erwerbsfähigen Alter häufiger weiblich sind) aufgrund der Pflegeverpflichtung die Erwerbstätigkeit reduziert(3). Frauen profitieren damit stärker als Männer von der sozialen Absicherung als Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch wenn sie durch die pflegebedingte Reduktion ihrer Arbeitszeit Entgeltverluste hinnehmen müssen, schützt sie die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zumindest partiell vor fehlenden Rentenbeiträgen und/oder Rentenbeitragszeiten.

Zwischen 2000 und 2010 hat die Zahl der weiblichen pflichtversicherten Pflegepersonen allerdings deutlich abgenommen, sie ist erst in den letzten Jahrenwieder etwas  angestiegen.(4) Im Vergleich dazu ist die Zahl der männlichen pflichtversicherten Pflegepersonen über den gesamten Beobachtungszeitraum fast stetig angestiegen – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Als Folge dieser Veränderungen ist der Frauenanteil unter den pflichtversicherten Pflegepersonen leicht rückläufig. Von 94 Prozent im Jahr 1996 ging er zurück auf 88 Prozent im Jahr 2016. Mögliche Ursachen hierfür sind die verstärkte Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen mit Pflegeverantwortung sowie die insgesamt häufigere Inanspruchnahme professioneller Pflegedienstleistungen.(5)

Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Ester Mader

 

Literatur

Geyer, Johannes / Schulz, Erika (2014): Who cares? Die Bedeutung der informellen Pflege durch Erwerbstätige in Deutschland, in: DIW Wochenbericht Nr. 14, Seiten 294 - 303.

Hielscher, Volker / Kirchen-Peters, Sabine / Nock, Lukas / Ischebeck, Max (2017): Pflege in den eigenen vier Wänden: Zeitaufwand und Kosten. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geben Auskunft, Study der Hans-Böckler-Stiftung, Band 363, Düsseldorf.

Pfahl, Svenja / Hobler, Dietmar / Mader, Esther (2018): Abhängig beschäftigte Frauen und Männer mit Pflegeverantwortung 2017. In: WSI GenderDatenPortal.

Rothgang, Heinz / Kalwitzki, Thomas / Müller, Rolf / Runte, Rebecca / Unger, Rainer (2015): BARMER GEK Pflegereport 2015. Schwerpunktthema: Pflegen zu Hause, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 36, Berlin.

Rothgang, Heinz / Rolf Müller / Runte, Rebecca / Unger, Rainer (2017): BARMER Pflegereport 2017. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 5, Berlin, letzter Zugriff 29.10.2018.

Wagner, Gert / Göbel, Jan / Krause, Peter / Pischner, Rainer / Sieber, Ingo (2008):Das Sozio-oekonomisches Panel (SEOP): Multidisziplinäres  Haushaltspanel und Kohortenstudie für Deutschland – Eine Einführung (für neue Datennutzer) mit einem Ausblick (für erfahrene Anwender), letzter Zugriff 29.10.18

 


(1) Die hier abgebildeten Jahresergebnisse stellen Schätzungen dar, die auf den repräsentativen Daten des Sozio-ökonomischen Panels beruhen (siehe dazu auch die Methodischen Anmerkungen).

(2) Hielscher, Volker et al. (2017): Pflege in den eigenen vier Wänden: Zeitaufwand und Kosten. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geben Auskunft, Seite 98. Vgl. auch Rothgang et al. (2015): BARMER GEK Pflegereport 2015. Schwerpunktthema: Pflegen zu Hause, Seite 20 sowie Rothgang et al. (2017): BARMER Pflegereport 2017, Seiten 146 f.

(3) Hielscher, Volker et al. (2017): Pflege in den eigenen vier Wänden: Zeitaufwand und Kosten. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geben Auskunft, Seite 94.

(4) Der Anstieg in 2014 und 2015 dürfte auf Veränderungen der gesetzlichen Regelungen zurückzuführen sein.

(5) Zu steigenden Quoten der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung sowie Erwerbsquoten von Pflegenden vgl. Geyer et al. (2014): Who cares? Die Bedeutung der informellen Pflege durch Erwerbstätige in Deutschland, Seiten 297 f.

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