Quelle: WSI
WSI-MitteilungenSchaupp, Simon : Algorithmische Arbeitssteuerung und marktorientiertes Migrationsregime. Eine verkannte Wahlverwandtschaft
DOI: 10.5771/0342-300X-2023-2-103
Seiten 103-111
Zusammenfassung
Die Digitalisierung verringert die Nachfrage nach manueller „Einfacharbeit“ bislang nicht. Anstelle einer Substitution kommt es zu einer Einbindung und Rationalisierung von „Einfacharbeit“ mittels Technologien algorithmischer Arbeitssteuerung. Der Beitrag zeigt auf, dass aufgrund einer spezifischen Wechselwirkung von deutschem Migrationsregime und algorithmischer Arbeitssteuerung der Anteil migrantischer Beschäftigter in dieser Art von Tätigkeiten besonders hoch ist. Das marktorientierte Migrationsregime führt zu einer differenziellen Inklusion, die bestimmte Migrant*innen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse zwingt. Die algorithmische Arbeitssteuerung vereinfacht den Arbeitsprozess, überwindet Sprachbarrieren und macht so die Integration migrantischer Beschäftigter in Bereichen möglich, in denen dies vormals nicht der Fall war. Diese Wechselwirkung trägt zu einer neuen Form der Unterschichtung bei, ruft allerdings auch – wesentlich in informellen Bahnen verlaufende – Widerstände hervor. Der Autor rekonstruiert diese Prozesse auf Grundlage von Interviews und teilnehmenden Beobachtungen in Unternehmen der „Industrie 4.0“ und der Plattformlogistik.
Abstract
Digitalisation has not yet reduced the demand for manual “unskilled” work. Instead of substitution, “unskilled” work is being integrated and rationalised by means of algorithmic work control technologies. The article shows that due to a specific interaction between the German migration regime and algorithmic management, the share of migrant workers is particularly high in this type of work. The market-oriented migration regime leads to a differential inclusion that forces certain migrants into precarious employment. Algorithmic management simplifies the labour process and overcomes language barriers, making it possible to integrate migrant workers in areas where this was not previously the case. This interaction contributes to the devaluation of migrant work, but also provokes various forms of – mostly informal – resistance. The author reconstructs these processes on the basis of interviews and participant observations in German “Industry 4.0” and platform logistics companies.