Quelle: WSI
WSI-MitteilungenBehrens, Martin / Schulten, Thorsten : Das Verhältnis von Staat und Tarifautonomie. Ansätze zur Stabilisierung des Tarifvertragssystems
DOI: 10.5771/0342-300X-2023-3-159
Seiten 159-167
Zusammenfassung
Der andauernde Rückgang der Tarifbindung stellt eine große Herausforderung für die deutschen Arbeitsbeziehungen dar, deren Folgen für die Gesellschaft als Ganze kaum zu überschätzen sind. In der politischen Debatte kursiert mittlerweile eine Reihe von Vorschlägen zur Stabilisierung der Tarifbeziehungen, die in diesem Beitrag vorgestellt und kritisch diskutiert werden. So zielt eine Vielzahl dieser Strategieansätze auf die Stärkung der Mitgliederbasis der Tarifparteien. Im Vordergrund stehen rechtspolitische Maßnahmen zur Verstärkung von Anreizen für den Beitritt zu bzw. den Verbleib in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Ein weiterer Strategieansatz beschäftigt sich mit direkten Vorgaben, die beispielsweise in Gestalt von Tariftreueklauseln oder Allgemeinverbindlicherklärungen die Geltung von Tarifverträgen stützen oder erzwingen. Wie die Analyse zeigt, besteht bei beiden Strategieansätzen kein grundsätzlicher Widerspruch zwischen staatlicher Intervention und Tarifautonomie, denn ohne die Stützung durch den Staat wird die Bereitstellung eines funktionsfähigen Tarifsystems kaum mehr gelingen.
Abstract
Collective bargaining decline constitutes a major challenge for the German system of labour relations as well as for society in general. The article analyses and discusses a variety of concepts which have been presented in an attempt to stabilise multi-employer collective bargaining. A first group of strategies aims at strengthening the membership of parties to a collective agreement. Many of these concepts focus on changes in federal laws for improving incentives to join or remain a member of the union or employers’ association respectively. A second group of measures focuses on mandatory provisions such as public procurement laws or the extension of collective agreements and more directly enforces compliance to collectively agreed standards. The article concludes that there is no fundamental contradiction between intervention by the state and collective bargaining autonomy as – by law – the state is obliged to provide for a stable collective bargaining system.