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WSI-Mitteilungen

Schröder, Lothar : Der Tarifkonflikt bei der Deutschen Telekom AG

Ausgabe 09/2007

Im Konflikt zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Deutschen Telekom AG (DTAG) um die konzerninterne Auslagerung von drei Servicegesellschaften ("T-Service") konnte nach elf Wochen Warn- und Erzwingungsstreiks mit insgesamt rund 450.000 Arbeitskampftagen eine Einigung erzielt werden. Das Telekom-Management verfolgte den Plan, rund 50.000 Beschäftigte der Festnetzsparte in drei Gesellschaften auszugliedern, die sich um den technischen Service, die Kundenbetreuung in Call-Centern und den Bau und Betrieb der Netzinfrastruktur kümmern sollen. Materiell verband sich dieser Schritt mit der Absicht, durch eine erhebliche Verschlechterung der Konditionen für die betroffenen Beschäftigten die wirtschaftliche Situation des Konzerns in einem Konkurrenzumfeld zu verbessern. Im Kern zielte das radikale Kostensenkungsprogramm des Telekom-Managements darauf ab, mit einer Organisationsänderung aus einem über Jahrzehnte gewachsenen und erkämpften tarifvertraglichen Gefüge auszusteigen. Dieser Kahlschlag sollte nicht nur mit erheblichen materiellen Einbußen für die Beschäftigten einhergehen, sondern auch mit einem Abbau von Sicherheit, wurde doch der bislang bestehende Schutz vor betriebsbedingten Entlassungen ausdrücklich zur Disposition gestellt. Legt man die Ziele zugrunde, mit denen ver.di in diese Auseinandersetzung ging ? keine Einkommenskürzungen für die vorhandenen Beschäftigten, Sicherung der Arbeitsplätze, keine Dumpinglöhne für Neueingestellte, Fortgeltung der Tarifverträge, keine Arbeitszeitverlängerung ? so ist zu konstatieren, dass vier von diesen fünf Zielen erreicht werden konnten. Trotz bitterer Zugeständnisse ist es gelungen, gegen den Generalangriff der Arbeitgeberseite Schutz und Sicherheit für die Beschäftigten zu verteidigen und die Grundlagen tarifvertraglicher Regulierung zu erhalten. Bei dieser Auseinandersetzung haben sich für ver.di im Telekomsektor erstmals in dieser Brisanz gravierende Probleme in der Wirkungsweise des altehrwürdigen § 613 a BGB offenbart. Dieser entfaltet seine generelle einjährige Schutzwirkung dann nicht, wenn im neuen Unternehmen bereits Tarifverträge existieren, die mit derselben Gewerkschaft geschlossen wurden. Die DTAG hat sich diesen Passus zunutze gemacht, indem sie die neuen Servicegesellschaften auf Teile von seit längerem bestehende GmbHs verschmolzen hat, für die ver.di zu früheren Zeiten und unter gänzlich anderen Randbedingungen bereits Tarifverträge mit unterschrieben hatte ? mit niedrigerem materiellen Niveau als in der Konzernmutter. Notwendig sind unter anderem gesetzgeberische Initiativen, die der Pervertierung des Schutzcharakters von § 613 a in der beschriebenen Weise einen Riegel vorschieben. Die Einführung des Günstigkeitsprinzips in den § 613 a könnte helfen.

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