Quelle: WSI
WSI-MitteilungenKlinger, Sabine / Weber, Enzo : Deutschland - Nebenjobberland
WSI-Mitteilungen 4/2019, Seiten 247-259
Zusammenfassung
Seit 2003 haben sich die Zahl und der Anteil von Mehrfachbeschäftigten in Deutschland mehr als verdoppelt, obwohl sich der Arbeitsmarkt in einem kräftigen und nachhaltigen Aufschwung befindet. Die diesem Beitrag zugrunde liegende Studie untersucht daher Nebenjobs im Querschnitt und im Zeitverlauf anhand reichhaltiger Registerdaten und Logit-Schätzungen. Die mikroökonometrischen Ergebnisse werden mit makroökonomischen Trends verknüpft. Es zeigt sich: Nebenjobs werden primär aufgrund von Beschränkungen des Einkommens und der Arbeitszeit in der Hauptbeschäftigung ausgeübt. Zum oberen Ende der Entgeltverteilung gibt es keinen erneuten Anstieg der Nebenjob-Wahrscheinlichkeit und damit auch keinen Hinweis, dass durch den Nebenjob das Job-Portfolio an sich verbessert werden soll. Des Weiteren haben Frauen, Personen mit Migrationshintergrund, Beschäftigte in den westlichen Bundesländern sowie im Dienstleistungsbereich überdurchschnittliche Nebenjob-Wahrscheinlichkeiten. Die individuellen Faktoren erklären aber nur einen Bruchteil der Zunahme von Nebenjobs im betrachteten Zeitraum. Eine wichtige Rolle spielte und spielt dagegen die weitgehende, per Gesetzgebung initiierte Abgabenfreiheit von Mini-Nebenjobs, welche nach unserer Argumentation die falschen Anreize setzt.
Abstract
Since 2003, the number and ratio of multiple jobholders has more than doubled, even though the German labour market has been experiencing a strong and sustained upswing. This study analyses multiple jobholding from a time-series as well as a cross-section perspective. We use rich register data and logit estimations. The microeconometric findings are linked to macroeconomic trends. Workers hold multiple jobs primarily because of factors affecting earnings or hours in the main job. Towards the upper end of the earnings distribution, there is no renewed increase in the probability of taking on a secondary job and we do not find evidence that another job enriches the job portfolio as such. Moreover, female workers, migrants, workers in west Germany as well as in service sectors display a higher than average probability of multiple jobholding. However, the individual factors only partly explain the rise of multiple jobholding in the examined time frame. Hence, we argue that the far-reaching exemption of second marginal jobs from social security contributions and taxes sets the wrong incentives.