Quelle: WSI
WSI-MitteilungenBrülle, Jan / Spannagel, Dorothee : Einkommensungleichheit als Gefahr für die Demokratie. WSI-Verteilungsbericht 2023
DOI: 10.5771/0342-300X-2023-6-444
Seiten 444-451
Zusammenfassung
Der Verteilungsbericht untersucht, wie sich Einkommensungleichheit in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat, und analysiert, wie sich unterschiedliche Positionen in der Einkommensverteilung in unterschiedlichen Alltagserfahrungen niederschlagen. Es zeigt sich: Die Einkommensungleichheit insgesamt wie auch die Armutsquoten sind deutlich höher als in den vergangenen Dekaden. In den ersten Pandemie-Jahren finden sich Hinweise auf einen weiteren Anstieg der Armut, wobei die Zahlen im Jahr 2022 wieder leicht rückläufig waren. Daten für das Jahr 2021 zeigen zudem, dass insbesondere dauerhaft Arme häufig das Gefühl haben, dass andere auf sie herabsehen. Einkommensreiche hingegen nehmen häufig gesellschaftliche Anerkennung wahr. Klar zu sehen ist auch, dass das Vertrauen in demokratische Institutionen umso geringer ist, je niedriger das Einkommen ist. Mehr als 50 % aller dauerhaft Armen bringen unseren Parteien und Politiker*innen nur ein geringes Vertrauen entgegen. Das zeigt deutlich, welche Risiken große soziale Ungleichheiten für die Legitimität des demokratischen Systems bergen.
Abstract
The article analyses how income inequality has developed in Germany in recent years and shows how the position of the employee in the income distribution corresponds with different experiences in daily life. Both the overall inequality of disposable incomes, as well as the poverty rate are currently higher than in recent decades. Poverty increased further during the first years of the COVID-19 pandemic, but decreased slightly between 2021 and 2022. In addition, data for 2021 indicates that income position corresponds with perceived feelings of appreciation or disregard: especially the persistently poor frequently report having the feeling that they are looked down on by those with higher incomes, whereas those who are more affluent often report feeling socially appreciated. Furthermore, analysis reveals that the lower the household income is, the lower is the trust in democratic institutions. More than 50 % of all persons in persistent poverty express very little trust in political parties or politicians. The results underscore how high social inequality can undermine the legitimacy of the democratic system.