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WSI-Mitteilungen 4/2022 WSI-Mitteilungen

Lübker, Malte / Janssen, Thilo : Europäischer Tarifbericht des WSI – 2021/2022: Tarifpolitik im Zeichen von Krise, Krieg und Inflation

Ausgabe 04/2022

DOI: 10.5771/0342-300X-2022-4-314
 

Seiten 314-327

Zusammenfassung

Europäische Tarifpolitik ist derzeit mit einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren konfrontiert: Der im Februar 2022 begonnene Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dämpft die Aussichten auf eine Fortsetzung der 2021 beobachtbaren wirtschaftlichen Erholung. Für das Jahr 2022 zeichnen sich aufgrund der derzeitigen hohen Inflation signifikante Kaufkraftverluste für die Beschäftigten und negative verteilungspolitische Konsequenzen ab, die durch Lohnsteigerungen zu kompensieren wären. Zugleich sind Warnungen vor möglichen Risiken einer Spirale aus steigenden Preisen und Löhnen hörbar. Die Tarifparteien stehen damit vor einer ungewöhnlich komplexen Situation. Vor diesem Hintergrund betrachtet der vorliegende europäische Tarifbericht mögliche Risiken und Potenziale der Tarifpolitik. Die Berechnung des Verteilungsspielraums auf Basis von Produktivitätsentwicklung und HVPI bzw. alternativ dem BIP-Deflator als Preisindex der inländischen Wertschöpfung deutet auf eine aus Beschäftigtensicht negative Verteilungsbilanz hin. Dies impliziert, dass nicht die Lohnentwicklung, sondern die Gewinninflation preistreibend wirkt. Um in Anbetracht der regionalen und sektoralen Herausforderungen der Krisen die Steuerungsfähigkeit der Tarifpolitik zu verbessern, könnte eine Stärkung des institutionellen Rahmens der Tarifpolitik sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene erfolgversprechend sein.

Abstract

Collective bargaining in Europe is currently confronted with a multitude of uncertainty factors: Russia’s war of aggression against Ukraine since February 2022 is dampening prospects for a continuation of the economic recovery that began in 2021. Significant losses in purchasing power for employees and negative distributional effects of inflation are on the horizon for 2022. On the other hand, there are warnings of possible risks of a spiral of rising prices and wages. The collective bargaining parties are thus faced with an unusually complex situation. Against this background, this European Collective Bargaining Report looks at possible risks and potentials for collective bargaining policy. Calculating the distribution margin based on productivity development and the HICP and, alternatively, the GDP deflator as the price index of domestic value added suggests a negative distribution balance from the employees’ perspective. This implies that it is not wage development but profit inflation that drives prices up. To improve the governance capacity of wage policy in view of the regional and sectoral challenges of the crises, a strengthening of the institutional framework for collective bargaining at both European and national level could be promising.

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