Quelle: WSI
WSI-MitteilungenWagner, Greta : Helfen und Kritik. Das Verhältnis von Solidarität und Wohltätigkeit in der Hilfe für Geflüchtete
Seiten 356-361
Zusammenfassung
Anderen zu helfen kann aus einer gesellschaftskritischen Perspektive umstritten sein. Ist die Hilfe nicht verbunden mit politischer Kritik – so der Vorwurf –, stabilisiert sie oft eher den Status quo, als dass sie zu gesellschaftlicher Transformation beiträgt. Einseitige Hilfsbeziehungen reproduzieren symbolische Ungleichheiten und bergen die Gefahr des Paternalismus. Deshalb versuchen Aktivist*innen, nicht wohltätig zu helfen, sondern solidarisch. Solidarität aber basiert idealtypisch auf Reziprozität, die gerade in ungleichen Verhältnissen voraussetzungsreich ist. In diesem Beitrag werden solidarisches und wohltätiges Helfen konzeptionell unterschieden. Die Autorin diskutiert drei Kontrastfälle, in denen Freiwillige Geflüchteten helfen: aktivistisches Helfen auf Lesbos, zivile Seenotrettung im Mittelmeer und ehrenamtliche Hilfe für Geflüchtete in rheinhessischen Dörfern. Die Hilfe in den drei Fällen basiert auf unterschiedlich langen Interaktionsphasen, was ebenso Auswirkungen auf die Bedeutung der Wechselseitigkeit zwischen Helfer*innen und Hilfsempfänger*innen hat wie auf den Gebrauch des Solidaritätsbegriffs.
Abstract
From the perspective of social critique, helping others can be controversial. If aid is not accompanied by a political critique – it is argued – it can stabilise the status quo rather than contributing to social change. One-sided helping relationships reproduce symbolic inequalities and entail the risk of paternalism. Activists therefore seek to help in solidaristic ways instead of charitable ones. Ideally, solidarity is based on reciprocity, which is difficult to realise – particularly in unequal relationships. In this article, the author outlines solidaristic and charitable concepts of helping others before discussing three contrasting cases of volunteers aiding refugees: activists on the Greek island of Lesbos, civil sea rescue operations in the Mediterranean, and volunteers in villages in the rural federal state of the Rhineland-Palatinate in Germany. The duration of the aid differs in these cases, which affects the importance of reciprocity between helpers and recipients of help as well as their concepts of solidarity.