Quelle: HBS
WSI-MitteilungenBeckfield, Jason : Langzeittrends zu mehr Ungleichheit und schwächeren Wohlfahrtsstaaten in Europa
WSI-Mitteilungen 1/2016, Seiten 14–20
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben zahlreiche europäische Wohlfahrtsstaaten bislang unbekannte Ausmaße sozialer Gleichheit und wirtschaftlichen Wachstums erzielt. Heute wird der diesen Errungenschaften zugrunde liegende Kompromiss immer mehr zur Disposition gestellt; in zahlreichen europäischen Wohlfahrtsstaaten wurde er sogar bereits aufgekündigt. Warum und wie kam es dazu? Dieser Artikel argumentiert, dass die in den 1980er Jahren in der europäischen Politik vollzogene Wende zu marktliberalen Politikinhalten und institutionellen Rahmenbedingungen zur Entstehung eines regionalen Kapitalismus geführt hat, der sich durch die Umkehrung des langjährigen Trends zur Verringerung der Einkommensungleichheit zwischen und innerhalb der EU-Mitgliedsländer auszeichnet. Diese Trendwende ist zurzeit besonders ausgeprägt, da die Peripherien und Randgebiete Europas im Zuge der Verschärfung der gegenwärtigen Krise noch weiter an den Rand gedrängt werden. Diese Argumentation wird durch Analysen von Individualdaten zur Entwicklung der Haushaltseinkommen in zahlreichen EU-Ländern einerseits sowie durch Makrodaten zur Entwicklung der europäischen Wohlfahrtsstaaten andererseits unterfüttert.
Abstract
After the Second World War, several European welfare states accomplished levels of social equality and economic growth never before seen in modern history. Today, the social contract underlying these achievements is breaking, or has broken, in many European welfare states. Why? How? I argue that the market-liberal turn in European policy-making and polity-making in the 1980s entrenched a regional capitalism that reversed a long-term trend toward growing equality between and within European nations. This end of equalization in Europe is currently taking on a particularly pronounced form, as the peripheries and marginals of Europe grow more peripheral and marginal as the Eurozone crisis deepens. In making my case for these provocative claims, I draw on analyses of individual-level data on household incomes in several EU nations, and macro-level data on EU economies and welfare states.