Grunert, Günther
: Mehr Beschäftigung durch mehr Ungleichheit?
Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland und in anderen europäischen Ländern lässt sich einer weit verbreiteten Ansicht zufolge auf die Inflexibilität am Arbeitsmarkt zurückführen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa und die Zunahme der Einkommensungleichheit in den USA werden dabei oft als zwei Seiten einer Medaille gesehen: Beides resultiere aus einem bedeutenden Rückgang der relativen Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften. In den USA habe dies zu sinkenden Löhnen für die Geringqualifizierten und damit zu einer wachsenden Einkommensungleichheit geführt, in Europa mit seinen rigiden Arbeitsmärkten sei eine hohe Arbeitslosigkeit die Folge gewesen. Die Industrieländer müssten demnach "wählen" zwischen mehr Einkommensungleichheit oder höherer Arbeitslosigkeit. So plausibel diese "Trade-off"-Hypothese auch erscheinen mag, ihre (neoklassischen) theoretischen Grundlagen erweisen sich bei genauerer Betrachtung als brüchig. Zudem führt auch eine empirische Überprüfung für die OECD-Länder zu keiner Bestätigung dieser Theorie.