Quelle: WSI
WSI-MitteilungenLessmann, Ortrud / Laruffa, Francesco : Nicht nur Humankapital aufbauen: Sozialinvestitionen weitergedacht
WSI-Mitteilungen 2/2020, Seiten 93-99
Zusammenfassung
Nicht nur Humankapital aufbauen: Sozialinvestitionen weitergedacht
Das in den letzten 20 Jahren auf politischer ebenso wie auf wissenschaftlicher Ebene viel diskutierte Konzept der Sozialinvestitionen sieht eine (normative) Neuausrichtung des Wohlfahrtsstaats mit dem Ziel einer Modernisierung vor, die neben die Schutzfunktion von Sozialleistungen die Aktivierung des produktiven Potenzials der Menschen stellt. Obgleich es verschiedene Versionen gibt, lässt sich ein gemeinsamer Kern bestimmen: das Ziel umfassender Erwerbsbeteiligung und die Förderung des Humankapitals. Diese Ausrichtung an ökonomischen Zielen hat substanzielle Kritik auf den Plan gerufen, die auf Schwächen in der normativen Neuausrichtung hinweist. Um die normative Basis zu stärken, braucht es – so argumentiert dieser Beitrag – erstens eine andere Begründung der Sozialinvestitionen (jenseits der ökonomischen Vorteile), zweitens ein anderes Menschenbild (jenseits von Humankapital) und drittens einen anderen Ansatz für wohlfahrtsstaatliche Reformen (einen demokratischen statt technokratischen Ansatz). Capability-Ansatz und Menschenrechte haben das Potenzial, das Konzept bezüglich aller drei Aspekte zu einer solideren normativen Grundlage für wohlfahrtsstaatliche Reformen weiterzuentwickeln.
Abstract
Beyond human capital: refining social investment
Over the past twenty years, the concept of social investment has been widely discussed both at the political and academic level and a common aim can be determined. Social investment calls for a (normative) re-orientation of welfare states with a view to “modernising” them: beyond guaranteeing social protection, they should also enhance people’s productive potential. Thus, despite its different versions, social investment essentially aims to increase labour market participation and productivity through human capital investments. This focus on economic goals has attracted substantial criticism that point to the normative weakness of this policy paradigm. The authors argue that, in order to reinforce its normative basis, social investment needs a different justification rationale (beyond its economic benefits), a different view of the individual (beyond “human capital”) and a different approach to welfare reform (democratic rather than technocratic). The capability and human rights approaches are potentially better in these three dimensions, providing a more solid normative basis to further develop welfare reform.