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WSI-Mitteilungen

Börner, Stefanie : Soziale Rechte in der Europäischen Union. Eine Bestandsaufnahme

Ausgabe 06/2019

WSI-Mitteilungen 6/2019, Seiten 412-420

Zusammenfassung

Die Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) stellt den jüngsten Vorstoß der Europäischen Kommission dar, die soziale Dimension Europas zu stärken. Der Beitrag nimmt die Semantik der ESSR zum Ausgangspunkt und untersucht mithilfe von T. H. Marshalls Konzept der sozialen Rechte, ob die sozialpolitischen Regulierungen auf EU-Ebene tatsächlich die Anforderungen sozialer Rechte erfüllen. Die Analyse macht sichtbar, dass es mit Blick auf die schon häufig geäußerte Diagnose eines sozialen Defizits der EU einen Zusammenhang zwischen den sozialen Ungleichheitsdynamiken innerhalb der EU und den nur schwach ausgeprägten bürgerlichen Rechten auf EU-Ebene gibt. Die vier analysierten Regulierungsstrategien der EU, Harmonisierung, Fördern, Kooperation und Koordinierung, sind – gemessen an sozialrechtlichen Maßstäben – aufgrund ihrer schwachen Durchsetzbarkeit, des mangelnden Rechtscharakters und der fehlenden Erwartungssicherheit allesamt unzulänglich. In einem transnationalen sozialen Gefüge, das seine Grundfreiheiten auf grenzüberschreitenden Verkehr und Mobilität hin zentriert, erweist sich das als zunehmend problematisch, nicht zuletzt weil soziale Rechte, so Marshall, die Ausübung der anderen bürgerlichen Rechte auf einer breiten Basis überhaupt erst ermöglichen.

Abstract

The common legal and economic framework of the EU has turned the vast socio-economic differences within Europe into virulent problems of social inequality – problems that it attempts to tackle within its limited resources. The article takes the EU’s self-expressed social commitment as a starting point and analyses its approaches to social policy from a social-rights perspective. It first discusses why Marshall’s social citizenship concept provides a useful analytical tool to assess the social policies enacted so far at the European level and then presents an institutional analysis of the EU’s four major social-policy activities: harmonising, funding, cooperation and coordination. This analysis focuses on the coverage, legal certainty and the addressees of these policies to determine how these policies measure up against social-rights standards. The findings point to the poor development of transnational social citizenship given the special nature of EU social policies. The only social rights that exist at the European level are in the field of social-security coordination. And even those are marked by a selectivity that excludes citizens who are not transnationally active and those who are, but lack the necessary means to provide for themselves.

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