Quelle: HBS
WSI-MitteilungenBruzelius, Cecilia / Reinprecht, Constantin / Seeleib-Kaiser, Martin : Stratifizierte soziale Rechte und eingeschränkte Unionsbürgerschaft
WSI-Mitteilungen 6/2017, Seiten 398¬408
Zusammenfassung
Infolge der uneinheitlichen wirtschaftlichen Entwicklung der EU-Mitgliedstaaten und aufgrund von Unterschieden zwischen den nationalen Sozialschutzsystemen genießen EU-Migranten in der Praxis oft sehr unterschiedliche soziale Rechte. Die substantiellen Ansprüche nicht erwerbstätiger EU-Migranten sind an den „Export“ sozialer Rechte aus dem Herkunftsland in das EU-Zielland gebunden. Dies trifft vor allem Arbeitsuchende und Rentner zu Beginn ihres Aufenthalts im EU-Zielland. Der Beitrag weist nach, dass die sozialen Rechte von EU-Bürgern in ihrer Substanz geschichtet sind, und zwar nicht nur nach dem Erwerbsstatus der Betroffenen, sondern auch nach EU-Herkunfts- und -Zielländern. Es wird argumentiert, dass diese Stratifizierung sozialer Rechte die Chancengleichheit bei der Ausübung des Freizügigkeitsrechts beschneidet und dadurch das Konzept der Unionsbürgerschaft als solches infrage stellt. Der Artikel schließt mit einem Vorschlag zu einem europäischen Mindesteinkommenssystem, mit dem sich die aktuellen Beeinträchtigungen der Unionsbürgerrechte zumindest teilweise überwinden ließen.
Abstract
Differences in the economic development and national social protection systems of member states can translate into significant differences in the substantive social rights of EU migrant citizens. The substantive rights of economically inactive EU migrant citizens are dependent on the ‘export’ of social rights from their country of origin to the member state of destination, in particular during the initial phase of their residence in a new member state as a jobseeker or a pensioner. This article demonstrates that the social rights of EU citizens are substantively stratified, not only by their economic status, but also according to the member states of origin and destination. Stratified social rights, it is argued, generate unequal opportunities to free movement and eo ipso challenge the very concept of EU citizenship. The article concludes with a proposal for a European Minimum Income Scheme to at least partially overcome the shortcomings of existing EU citizenship.