Spannagel, Dorothee / Brülle, Jan : Ungleiche Teilhabe: Marginalisierte Arme – verunsicherte Mitte. WSI-Verteilungsbericht 2024
DOI: 10.5771/0342-300X-2024-6-450
Seiten 450–457
Zusammenfassung
De jure wird in Deutschland jedem Menschen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe garantiert. De facto sind die Teilhabemöglichkeiten der Menschen ungleich verteilt. Ziel des diesjährigen Verteilungsberichts ist es aufzuzeigen, an welchen Stellen in der unteren Einkommenshälfte materielle und politische Teilhabe gefährdet sind. Dabei wird deutlich: Während materielle Teilhabe vor allem für Arme deutlich eingeschränkt ist, reicht eine brüchige politische Teilhabe bis in die untere Mitte der Gesellschaft hinein. Einige Menschen in der unteren Einkommenshälfte fühlen eine Entfremdung vom politischen System und wenden sich tendenziell von der Demokratie ab. Gleichzeitig sind Sorgen um die eigene wirtschaftliche Zukunft in der gesamten unteren Einkommenshälfte verbreitet. Wenn aber gesellschaftliche Teilhabe für eine Hälfte der Bevölkerung ins Wanken gerät, hat das Folgen für die Gesellschaft als Ganze, nicht zuletzt auch für die stabile Verankerung unseres politischen Systems. Hier gegenzusteuern und eine solide gesellschaftliche Teilhabe gerade auch für Menschen in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung zu stärken, ist eine zentrale Herausforderung unserer Zeit.
Schlagworte: Demokratie, soziale Integration, Armut, Einkommensverteilung, Verteilungspolitik
Abstract
Every German citizen has at least minimal opportunities for social participation, de jure. De facto, the opportunities for participation in mainstream society are highly unequal. It is the aim of this report to show where material and political participation are endangered in the lower half of the income distribution. The authors’ results emphasize: While material participation is severely restricted primarily for the poor, precarious political participation extends into the lower middle of the income distribution. In the bottom half of the income distribution, some feel alienated from the political system and tend to turn their backs on democracy. At the same time, worries about individual economic future are widespread in this income bracket. Participation becoming brittle among one half of the population has consequences for society as a whole, including the overall stability of the political system. Combating these trends and fostering participation among persons in the lower half of the income distribution are among the most important challenges of our time.