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WSI-Mitteilungen

Geramanis, Olaf : Vertrauensarbeitszeit - die verpasste Chance?

Ausgabe 06/2002

Die schon länger geführte Debatte um die Vertrauensarbeitszeit hat noch immer nichts von ihrer Widersprüchlichkeit eingebüßt. Vertrauen, eine soziale Ressource genannt, die zwischenmenschliche Kooperationen erleichtern soll, wird zu einem ökonomisch interessanten Produktionsfaktor gemacht. Die Kontrolle der Arbeitszeit entfällt. Vertrauen, die Unternehmensziele eigenverantwortlich zu erreichen, wird proklamiert. Hier wird mehr mit Worten gespielt, als Realität verändert. Bei wirklichem Vertrauen handelt es sich um ein Beziehungsnetz, das eng an die handelnden Personen gebunden ist. Wie aber kann ein Unternehmen Vertrauen erwerben, ohne die Personen selbst zu kaufen? Ab wann ist es möglich, sich auf seine Mitarbeiter zu verlassen, ohne den Vertrauensmissbrauch fürchten zu müssen? Die strukturelle Gefahr ist groß, dass das positive soziale Potenzial des Vertrauens von Unternehmerseite ausgebeutet wird, um stattdessen die Instrumentalisierung des Arbeitnehmerwillens zu setzen. Schade, denn Vertrauen ist vielleicht das einzige Konzept, welches Freiwilligkeit generieren kann - auch im Arbeitsprozess.