WSI GenderDatenPortal: Zeit: Abhängig beschäftigte Männer nach Arbeitszeitgruppen 1991–2020
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Die Entwicklung der Arbeitszeiten von abhängig beschäftigten Männern innerhalb des Beobachtungszeitraums (1991 bis 2020) ist von zwei deutlichen Tendenzen gekennzeichnet: Einerseits arbeiten Männer zunehmend in langer Vollzeit, gleichzeitig sind immer mehr Männer teilzeitbeschäftigt. Dementsprechend haben sich bei den Männern die relativen Anteile der einzelnen Arbeitszeitgruppen zueinander deutlich verschoben:
- Deutlich an Bedeutung gewonnen haben lange und überlange Arbeitszeiten von 41 oder mehr Wochenstunden (Tab. 1): Im Jahr 1991 arbeitete jeder siebte Mann wöchentlich mindestens 41 Stunden (14 Prozent), im Jahr 2020 bereits fast jeder Fünfte (19 Prozent). Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die gestiegenen Anteile der Männer die 41 bis 44 Stunden bzw. 45 bis 54 Stunden pro Woche arbeiten.
- Stark angestiegen ist auch der Anteil der Männer mit einer 40-Stunden-Woche: 1991 arbeitete nur ein knappes Drittel der Männer in diesem Umfang, im Jahr 2020 sind es 44 Prozent.
- Demgegenüber hat die Bedeutung der Vollzeit mit 36 bis 39 Wochenstunden für Männer stark abgenommen: Im Jahr 1991 arbeitete noch mehr als die Hälfte der Männer in dieser wichtigsten Arbeitszeitgruppe, im Jahr 2020 jedoch nicht einmal mehr jeder fünfte Mann (19 Prozent). Diese Arbeitszeitgruppe stellt die „große Verliererin“ bei den Männern dar – genauso wie auch bei den Frauen (1).
- Und auch bei den überlangen Arbeitszeiten von 55 und mehr Stunden ist – trotz eines zwischenzeitlichen Anstiegs – über den gesamten Beobachtungszeitraum ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Arbeiteten um die Jahrtausendwende über 4 Prozent der abhängig beschäftigten Männer 55 oder mehr Stunden die Woche sind es 2020 nur 2 Prozent.
Während sich für Vollzeitbeschäftigte eine Zunahme von langen und überlangen Arbeitszeiten feststellen lässt, hat sich zugleich auch der Anteil der Männer in Teilzeit stark erhöht:
- Besonders die vollzeitnahe Teilzeit mit 32 bis 35 Wochenstunden gewinnt unter Männern an Bedeutung (2): Im Zusammenhang mit Tarifabschlüssen zur Einführung der 35-Stunden-Woche ist der Anteil der Männer in dieser Arbeitszeitgruppe seit Mitte der 1990er Jahre sprunghaft und auch danach bis Anfang der 2000er Jahre angestiegen. 1991 war nicht einmal 1 Prozent der Männer in diesem Umfang tätig, 2003 waren es dagegen schon fast 9 Prozent. Danach nahm die Verbreitung vollzeitnaher Teilzeit leicht ab und erst seit 2012 steigt ihr Anteil erneut: Im Jahr 2020 liegt er bei knapp 7 Prozent.
- Auch die Teilzeitarbeit bis maximal 31 Wochenstunden hat für Männer an Bedeutung gewonnen: Nur 2 Prozent der Männer arbeiteten 1991 weniger als 32 Wochenstunden, im Jahr 2020 sind es 11 Prozent. Der Anteil der Männer in geringfügiger bis substantieller Teilzeit hat sich damit zwischen 1991 und 2020 verfünffacht.
Im regionalen Vergleich lassen sich für die Männer in West- und Ostdeutschland – bei allen Unterschieden – auch Tendenzen einer Angleichung erkennen:
In Westdeutschland ist der Anteil der Männer in gemäßigter Vollzeit (36 bis 39 Stunden pro Woche) seit 1991 von fast zwei Drittel auf nur noch ein Fünftel in 2020 zurückgegangen (20 Prozent), während er in Ostdeutschland von 2 Prozent auf fast 14 Prozent deutlich angestiegen ist.
In Westdeutschland hat sich der Anteil an Männern mit 40 Wochenstunden fast verdoppelt (von 22 Prozent auf 41 Prozent), in Ostdeutschland hat er hingegen stark abgenommen (von 73 Prozent auf 57 Prozent). Der höhere Anteil in Ostdeutschland ist v.a. darauf zurückzuführen, dass dort tarifvertragliche Wochenarbeitszeiten von 40 oder mehr Stunden weiterverbreitet sind als in Westdeutschland. (3)
Die deutliche Tendenz zu langen Arbeitszeiten dürfte sogar noch stärker ausgeprägt sein als die hier präsentierten Befunde zu den „normalerweise geleisteten Arbeitszeiten“ es nahelegen: Studien auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten von Beschäftigten gelangen zu dem Ergebnis, dass mehr als ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Männer in Deutschland in der Praxis überlange Arbeitszeiten mit 45 Wochenstunden und mehr haben. (4) Überlange Arbeitszeiten treten überdurchschnittlich häufig bei Beschäftigten in Führungspositionen auf – und damit bei Männern häufiger als Frauen. (5) Auch die digitale Arbeit sowie das Arbeiten im Home-Office, die beide im Rahmen der Corona-Pandemie zugenommen haben, begünstigen die Ausweitung der tatsächlichen Arbeitszeiten von Frauen und Männern. Wobei auch Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Frauen im Home-Office dann auch noch zusätzliche Stunden Sorgearbeit übernehmen – während Männer sich stärker nur der beruflichen Arbeit widmen. (6)
Kritisch zu bewerten ist, dass überlange Arbeitszeiten höhere psychische Belastungen mit sich bringen, und insgesamt häufiger zu Lasten familiärer und sozialer Aktivitäten gehen. (7) Und häufig entsprechen die überlangen Arbeitszeiten nicht den Wünschen der Männer: Mit der Dauer der tatsächlichen Arbeitszeiten steigt unter Männern auch der Wunsch nach einer Verkürzung ihrer Arbeitszeit stark an. (8) (9)
Die Zunahme von Teilzeit mit geringem Stundenvolumen (unter 15 Wochenstunden) dürfte gerade auf Männer zurückzuführen sein, die parallel zu ihrer Ausbildungsphase oder nach ihrer Verrentung einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. (10) Unter Gleichstellungsgesichtspunkten besonders interessant ist hingegen die wachsende Bedeutung von vollzeitnaher Teilzeit (32 bis 35 Stunden) für Männer. Der Wunsch der Männern nach substantieller (21 bis 31 Wochenstunden) bzw. nach vollzeitnaher Teilzeit geht sogar noch darüber hinaus. (11)
Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Esther Mader
Literatur
Backhaus, Nils/ Wöhrmann, Anne Marit/ Tisch, Anita (2020): BAuA-Arbeitszeitbefragung. Vergleich 2015-2017-2019. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, letzter Zugriff: 14.06.2022.
Bispinck, Reinhard/ Schulten, Thorsten (2017): WSI Arbeitszeitkalender 2017. Tarifdaten aus 25 Wirtschaftszweigen. Elemente qualitativer Tarifpolitik Nr. 84. letzter Zugriff: 14.06.2022.
DGB/ Hans-Böckler Stiftung (2022): Atlas digitaler Arbeit. Daten und Fakten über die Beschäftigung der Zukunft. letzter Zugriff: 14.06.2022.
DGB-Index Gute Arbeit (2016): Arbeiten ohne Ende. Wie verbreitet sind überlange Arbeitszeiten? DGB-Index Gute Arbeit kompakt 01/2016. letzter Zugriff: 14.06.2022.
Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Wittmann, Maike (2022a): Teilzeitquoten der abhängig Beschäftigten 1991–2020. In: WSI GenderDatenPortal.
Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Wittmann, Maike (2022b): Abhängig beschäftigte Frauen nach Arbeitszeitgruppen 1991–2020. In: WSI GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja/ Hobler, Dietmar/ Spitznagel, Julia (2020a): Betriebliche Führungspositionen nach Führungsebene 2004-2018. In: WSI GenderDatenPortal.
Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Spitznagel, Julia (2020b): Erwerbsumfang nach Alter 2018. In: WSI GenderDatenPortal.
Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Horvath, Sandra (2017): Gewünschte Arbeitszeiten abhängig Beschäftigter 2015. In: WSI GenderDatenPortal.
Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Rauschnick, Laura (2016): Arbeitszeit. Quantitative Ergebnisse für Deutschland. Expertise für die Kommission „Zukunft der Arbeit“, letzter Zugriff: 14.06.2022.
Klenner, Christina/ Lott, Yvonne (2016): Arbeitszeitoptionen im Lebensverlauf. Bedingungen und Barrieren ihrer Nutzung im Betrieb. Kurzfassung der Ergebnisse, Working Paper der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 203, letzter Zugriff:14.06.2022.
Schmidt, Tanja/ Matiaske, Wenzel/ Seifert, Hartmut/ Tobsch, Verena/ Holst, Elke (2020): Verlaufsmuster tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeiten im Lebensverlauf. Persistenzen und Wandel von Arbeitszeitdiskrepanzen. Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 173, letzter Zugriff: 14.06.2022.
Statistisches Bundesamt (2022): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2022 (Endgültige Ergebnisse), Fachserie 1 Reihe 4.1., letzter Zugriff: 14.06.2022.
Statistisches Bundesamt (2021): Mikrozensus. Qualitätsbericht 2020, letzter Zugriff: 14.06.2022.
Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2018, Fachserie 1 Reihe 4.1, letzter Zugriff: 14.06.2022.
Statistisches Bundesamt (2016): Mikrozensus. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland, Fachserie 1 Reihe 4.1.1.
Statistisches Bundesamt (2012): Methodeninformation. Mikrozensus und Arbeitskräfteerhebung: Ergebnisse zur Erwerbstätigkeit ab dem Jahr 2011, letzter Zugriff: 14.06.2022.
(1) Vgl. Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Wittmann, Maike (2022b): Abhängig beschäftigte Frauen nach Arbeitszeitgruppen 1991–2020. In: WSI GenderDatenPortal.
(2) Die Abgrenzung dieser Arbeitszeitgruppen wurde Ende der 1990er Jahre allerdings verändert. Bis 1998 umfasst die Arbeitszeitgruppe noch 21 bis 30 Stunden, ab dem Jahr 1999 wurde die Arbeitszeitgruppe auf 21 bis 31 Stunden erweitert (siehe auch methodische Anmerkungen). Im direkten Vergleich der Jahre 1998 und 1999 hat sich der relative Anteil der Arbeitszeitgruppe dadurch jedoch kaum verändert.
(3) Im Jahr 2016 hatten 40 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland, aber nur 8 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland eine tarifvertragliche Arbeitszeit von 40 oder mehr Wochenstunden. Vgl. Bispinck, Reinhard/ Schulten, Thorsten (2017): WSI Arbeitszeitkalender 2017..
(4) Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2016): Arbeiten ohne Ende. Wie verbreitet sind überlange Arbeitszeiten? DGB-Index Gute Arbeit kompakt 01/2016.
(5) Vgl. Pfahl, Svenja/ Hobler, Dietmar/ Spitznagel, Julia (2020a): Betriebliche Führungspositionen nach Führungsebene 2004-2018. In: WSI GenderDatenPortal.
(6) Vgl. DGB/ Hans-Böckler Stiftung (2022): Atlas der digitalen Arbeit, S. 12f, S. 16.
(7) Im Vergleich zu Beschäftigten mit „normaler“ Vollzeit (35 bis 44 Wochenstunden) geben Beschäftigte mit überlangen Arbeitszeiten (45 Wochenstunden und mehr) deutlich häufiger an, dass Familie und Freunde zu kurz kommen. Bei ihnen trifft auch häufiger zu, dass sie sich ihre Pausenzeiten verkürzen, Arbeit mit nach Hause nehmen, und dass sie nicht richtig abschalten können. Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2016): Arbeiten ohne Ende. DGB-Index Gute Arbeit kompakt 01/2016, S. 6.
(8) Vgl. Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Horvath, Sandra (2017): Gewünschte Arbeitszeiten abhängig Beschäftigter 2015. In: WSI GenderDatenPortal.
(9) Zudem ist der Anteil der Männer, die sich – unabhängig von ihrem eigentlichen Arbeitsumfang - eine Arbeitszeitreduzierung wünschen zwischen 2015 und 2019 deutlich gestiegen. Vgl. Backhaus, Nils/ Wöhrmann, Anne Marit/ Tisch, Anita (2020): BAuA-Arbeitszeitbefragung Vergleich 2015-2017-2019, Tab.8 auf S. 86.
(10) In diese Richtung deutet der höhere Anteil an geringfügiger Beschäftigung unter jüngeren und älteren Männern hin. Vgl. Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Spitznagel, Julia (2020b): Erwerbsumfang nach Alter 2018. In: WSI GenderDatenPortal.
(11) Im Jahr 2015 wünschen sich immerhin 14 Prozent der abhängig beschäftigten Männer eine Arbeitszeit zwischen 20 und 34 Stunden. Vgl. Hobler, Dietmar/ Pfahl, Svenja/ Horvath, Sandra (2017): Gewünschte Arbeitszeiten abhängig Beschäftigter 2015. In: WSI GenderDatenPortal.