Quelle: HBS
TarifarchivTarifchronik: Zitate zur Tarifpolitik
Zitate zum Tarifsystem: von Friedrich Engels bis Helmut Schmidt. "Die Löhne werden durch Feilschen festgesetzt..." meinte Friedrich Engels 1881. Ihm folgen in unserem Zitate-Archiv noch einige Größen mehr mit "Klassikern" zu Tarifautonomie und Flächentarifvertrag.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung plädierte der Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger für ein modulares Tarifsystem, gewissermaßen Tarifbindung durch Rosinenpicken:
"Wir sollten Tarifbindung künftig anders definieren. Wenn ein Tarifvertrag zum Beispiel aus maximal 25 Komponenten besteht, könnte man jeden als tarifgebunden bezeichnen, der mehr als fünf oder sechs davon akzeptiert."
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, unterstreicht die Bedeutung der Tarifautonomie für den Sozialstaat.
"Ich bin überzeugt, dass Tarifbindung, gerade an den Schnittstellen zur Sozialpolitik, eine wesentliche Grundlage für sozialstaatliche Sicherungen im 21. Jahrhundert ist. Tarifautonomie und Tarifbindung sind notwendige Pfeiler eines „Sozialstaats 4.0“. Will man also jenseits gesetzlicher Mindest- und Höchstnormen die Verhandlungsmacht auf dem Arbeitsmarkt nicht allein den Marktgesetzen unterwerfen, sind kollektive Verhandlungen über Entgelte und Arbeitsbedingungen auch in Zukunft ein zentraler Eckpfeiler unserer spezifischen Sozialstaatlichkeit. Tarifbindung ist und bleibt eine Gerechtigkeitsfrage oberster Ordnung."
in: WSI-Mitteilungen, 2/2016, Seiten 143-147
Michael Sommer, DGB-Vorsitzender, formulierte aus Anlass von 60 Jahre Tarifvertragsgesetz:
"Mit einem Angriff auf die Tarifautonomie zielen ihre Gegner auf das Herz der sozialen Demokratie und das zentrale Instrumentarium der Ge werkschaften. Sollten Teile der Politik und der Arbeitgeber in der jet-zigen Krise ver suchen, die Tarifpolitik und die Tarifautonomie zu schlei-fen, dann werden sie auf gewerkschaftli che Gegenwehr stoßen."
Michael Sommer, Tarifautonomie und Tarifpolitik – für eine Stabilisierung des Tarifsystems, in: R.Bispinck/Th.Schulten (Hrsg.), Zukunft der Tarifautonomie - 60 Jahre Tarifvertragsgesetz: Bilanz und Ausblick, Hamburg 2010, S. 13-19
Der BDI-Präsident machte einmal mehr aus seinem Herzen keine Mördergrube:
"Man müsste Lagerfeuer machen und erstmal die ganzen Flächentarifverträge verbrennen und das Betriebsverfassungsgesetz dazu und dann das ganze schlank neu gestalten."
Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
in: Spiegel-Online, 11.3.2003
Unser Altbundeskanzler hat sich Gedanken über den Flächentarifvertrag gemacht. Oder hat er doch nur bei dem eingefleischten Kritiker des Flächentarifvertrags und ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel abgeschrieben?
Lesen Sie selbst:
"Ist der Flächentarifvertrag am Ende ? Leider nein. Aber es wäre zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit wünschenswert, wenn der flächendeckende Lohntarif an sein Ende gebracht würde. Was eine Geschäftsleitung und ein geheim gewählter Betriebsrat miteinander verabreden können und wollen, das nützt beiden gleichermaßen. Doch das geltende Gesetz verbietet ihnen in weitgehendem Maße betriebliche Vereinbarungen und zwingt sie stattdessen unter die gemeinsame Fuchtel der Funktionäre des Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaft. Beide sind vom einzelnen Betrieb weit entfernt. Beide kämpfen um Prestige und Macht - und um die Erhaltung ihrer umfangreichen hauptamtlichen Bürokratie. ...
Schon in den siebziger Jahren ist der allgemein verbindliche Flächentarifvertrag zum ökonomischen Unfug geworden. ...
Der flächendeckende Lohntarif kann zur Ursache weiterer Arbeitslosigkeit werden. Dagegen hilft dann auch das Bündnis für Arbeit nicht viel - es sei denn, dass seine Verhandlungen auf allen beteiligten Seiten zur Erkenntnis der deutschen Überregulierung und zu deren effektivem Abbau führen."
Helmut Schmidt, Altbundeskanzler
in "Die Zeit" Nr. 37 vom 6.9.2001.
"Das Lieblingshassobjekt vieler 'Modernisierungspropheten' ist das sogenannte 'Tarifkartell'. Es existiert jedoch nur in der Phantasie dieser selbsternannten Hüter des liberalen Grals. Dennoch scheint diese Chimäre bestens geeignet als universeller Sündenbock und als Synonym für ein zu wenig flexibles System. Unter dem Kampfbegriff des 'Tarifkartells' wird gegen die Tarifautonomie polemisiert, bisweilen sogar gehetzt.
Ich halte dieser zum Teil unsachlichen, bisweilen sogar schon persönlichen Kritik eine Überzeugung entgegen, die auf dem Boden langjähriger eigener unternehmerischer Verantwortung und in der Praxis als Verhandlungsführer in Tarifverhandlungen steht. Ich spreche über die Tarifautonomie nicht aus dem Elfenbeinturm neoliberaler Betrachtungen, sondern aus gewachsener Überzeugung.
Die Alternative zur Tarifautonomie ist nicht die Individualisierung der Lohnpolitik, sondern ihre Verstaatlichung. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Entmachtung des sogenannten 'Tarifkartells' mitnichten mehr Freiheit bedeutet, sondern stärkere Fremdbestimmung."
Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
auf dem 9. Stuttgarter Gespräch der Konrad Adenauer Stiftung, am 4.4.2000
"Die Lohnpolitik kann keinen Beitrag zur Erhöhung der Beschäftigung leisten. Steigen die Reallöhne langsamer als die Produktivität, so führt der damit induzierte Nachfrageausfall auf den Gütermärkten zu einer Gefährdung der Beschäftigung. Steigen die Löhne hingegen stärker als die Produktivität, so gefährden sie als wesentlicher Kostenfaktor die Beschäftigung ebenfalls. Reallohnanhebungen in Höhe des Produktivitätszuwachses dagegen können die bestehende Beschäftigung sichern - mehr aber auch nicht."
Jürgen Kromphardt, Mitglied des Sachverständigenrates
in einem Minderheitsvotum zur Lohnpolitik im Gutachten 1999/2000
Betriebsräte können nicht als Ersatzgewerkschaften tarifpolitische Funktionen übernehmen. Die Öffnung der Tarifverträge für betriebsverfassungsrechtliche Regelungen endet am gesetzlichen Mitbestimmungsrahmen und der verfassungsrechtlichen Garantie der Koalitionsfreiheit. Die IG Metall lehnt deshalb jegliche Änderung des § 77.3 BetrVG entschieden ab. Die Absicherung des Flächentarifvertrages erfordert die betriebliche Anpassung durch tarifvertragliche Regelungen, dort wo der Grundsatz des Flächentarifvertrages nicht greift. Darüber hinaus erfordern neue arbeitsorganisatorische Konzepte die Erhöhung der Regelungstiefe. Das kann durch betriebliche Tarifkommissionen und den Abschluss betrieblicher Regelungen unter Einhaltung der Richtlinien für Tarifkommissionen geschehen. Der Vorstand wird eine Konzeption zur Durchführung von betrieblichen Tarifbewegungen für Firmen-Tarifverträge und Ergänzungs-Tarifverträge entwickeln und hieraus Veränderungen der Richtlinien für die Tarifkommissionen ableiten.
19. ordentl. Gewerkschaftstag der IG Metall, 3.-9.10.1999
Auszug aus der Entschließung 3 zur Tarifpolitik
"Die beteiligten Gewerkschaften streben ein tarifliches Abschlussvolumen an, das der Summe aus Preisentwicklung1 und Steigerung der Arbeitsproduktivität entspricht. b) Die teilnehmenden Gewerkschaften streben sowohl eine Stärkung der Massenkaufkraft als auch beschäftigungswirksame Maßnahmen (z. B. Arbeitszeitverkürzung) an. c) Die beteiligten Organisationen werden sich regelmäßig über die tarifpolitische Entwicklung informieren und konsultieren."
Erklärung von Doorn vom 5.9.1998 (Auszug)
von Gewerkschaften und Gewerkschaftsbünden aus Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden
"Wenn die Aufkündigung des tarifpolitischen Konsenses mehr ist als eine Modeerscheinung und ein Tribut an neoliberalen Zeitgeist, sondern aus veränderten Konkurrenzbedingungen folgt, ist jener Entwicklung durch Veränderung der Tarifinhalte grundsätzlich nicht beizukommen. Es sei denn, die Tarifparteien würden im Grunde alles zur Disposition stellen, was bisher aus guten Gründen der wechselseitigen Unterbietung entzogen war. ... Auch wir halten Öffnungsklauseln für sinnvoll, etwa in Fragen der Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung. Doch wer mit Hilfe verlängerter Arbeitszeiten, vorenthaltener Löhne und anderer Mittel des Tarifdumpings den Konkurrenten auszustechen versucht, wird sich mit dem Angebot konditionierter Tariföffnung hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung nicht auf den Pfad der Tariftreue zurückholen lassen."
Detlef Hensche, Tarifpolitik in der Krise
in: O. König/S. Stamm/M. Wendl(Hrsg.), Erosion oder Erneuerung? Krise und Reform des Flächentarifvertrags, Hamburg 1998.
Der Flächentarifvertrag nützt Arbeitnehmern und Arbeitgebern: Mit seiner Schutzfunktion sorgt er für Mindestbedingungen bei Arbeit und Einkommen, mit seiner Ordnungsfunktion sorgt er für gleiche Konkurrenzbedingungen und klare Kalkulationsgrundlagen in seinem Geltungsbereich.
Auszug aus: DGB-Grundsatzprogramm 1996
"Streik, nein, das ging mir nie leicht von den Lippen. Ich wusste, was Streik bedeutet. Streik bedeutet Hunger für viele. Streik bedeutet zuweilen den Verlust des Arbeitsplatzes. Streik bedeutet Bangigkeit und unentwegte Fragen, was wird am Ende dieses Streiks stehen. Deshalb habe ich immer, bevor ich dieses Wort Streik aussprach, mich vergewissert in Hunderten von Versammlungen, Zusammenkünften: Können wir es wagen, müssen wir es wagen um der Sache willen und des Prinzips wegen ..."
Willi Bleicher, Bezirksleiter der IG Metall im Bezirk Stuttgart 1958 - 1972,
zitiert nach: G. Benz u.a. (Hrsg.), Willi Bleicher. Ein Leben für die Gewerkschaften, Frankfurt/Main 1983.
"Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt."
Betriebsverfassungsgesetz vom 15.1.1972, § 77 Absatz 3
Gerade die gewerkschaftliche Bereitschaft zur lohnpolitischen Mäßigung trug zu einem Vertrauensverlust in Teilen der Mitglieder- und Arbeiterschaft bei, der sich angesichts sprunghaft gestiegener Unternehmensgewinne, aber stagnierender Reallöhne in den "wilden" Streiks von September 1969 entlud. Anlaß der spontanen Streiks war die Zusammenlegung der Dortmund-Hörder-Hütten-Union mit der Hoesch AG Dortmund zum 1. Oktober 1969; dadurch waren innerbetriebliche Lohn- und Gehaltsanpassungen nötig. Um eine sofortige Erhöhung der Löhne durchzusetzen, legten die Arbeiter der Hoesch AG Hüttenwerke in Dortmund am 2. September die Arbeit nieder. Mit der rasch zugestandenen Erhöhung der Stundenlöhne um 30 Pfennige wurde der Ausstand am 3. September beendet. Angesichts der Gewinnexplosion 1968/69 sprang der Funken des Streiks jedoch auf andere Betriebe der Eisen- und Stahlindustrie, der Steinkohlenförderung, der Metallindustrie, der Textilindustrie und des öffentlichen Dienste über: Anfang September 1969 wurden allein in der Eisen- und Stahlindustrie 230.000 Streiktage, im Steinkohlenbergbau 49.000 Ausfallschichten gezählt. In allen Fällen gelang es den Streikenden binnen kürzester Zeit, Lohnerhöhungen durchzusetzen, die schon vor Ablauf der Tarifverträge gezahlt wurden.
Michael Schneider
Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute Bonn 1989, S. 341
"Mit der Aushöhlung der Tarifautonomie haben die Gespräche im Rahmen der Konzertierten Aktion überhaupt nichts zu tun. - Alles, was dort besprochen wird, ist für die Tarifvertragsparteien ohne jedes Obligo. Ich sagte oft nach gewissen allgemeinen Verständigungen: Gehen Sie in Freiheit in die eigentlichen Tarifvertragsverhandlungen! Es kann gar keine Rede davon sein, daß es irgendwo Beschränkungen gibt. Otto Brenner hat in der letzten Sitzung das Recht auf Tarifautonomie noch einmal ausdrücklich betont. ... Dabei gibt es keine Lohnleitlinien, das weiß Otto Brenner. Das Wort Lohnleitlinie habe ich in den ersten Tagen meiner Amtstätigkeit im Bundeswirtschaftsministerium durch einen Kammerjäger sozusagen vertilgen lassen (Beifall). Wir haben dann in zwei schöne Büchlein geblickt, die ja wohl ganz ungefährlich sind, nämlich in das Grundsatzprogramm und Aktionsprogramm des Deutschern Gewerkschaftsbundes. Da steht ein anderes Wort: Orientierungsdaten. Dieses Wort aus dem DGB-Grundsatzprogramm ist im übrigen jetzt sogar im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz als Pflicht der Bundesregierung enthalten, nicht als Pflicht etwa der Gewerkschaften, es zu vollziehen. Davon kann überhaupt keine Rede sein."
Karl Schiller , Bundeswirtschaftsminister, auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall am 7.9.1968
Quelle: Protokoll des 9. ordentlichen Gewerkschaftstages der IG Metall in München vom 2. bis 7. September 1968 (6. Verhandlungstag), S. 458 ff. (zit. nach: Blanke u.a. (Hrsg.), Kollektives Arbeitsrecht Band 2, Reinbek 1975, S. 258)
"Um die bestehenden Verhältnisse in allem und jedem, insbesondere auch, was die Distribution angeht zu zementieren, ist die produktivitätsorientierte Lohnpolitik das richtige Verfahren. Dass eine solche Zementierung des Bestehenden in der Absicht der Gewerkschaften liege, erscheint höchst unwahrscheinlich; alsdann aber ist nicht zu verstehen dass sie auf eine ,Theorie' hereinfallen, ja sich in ihrer Lohnpolitik auf eine Theorie berufen, die in ihrer Konsequenz es ausschließt, dass die Arbeitnehmerschaft einen höheren Anteil am Sozialprodukt erreicht als den heutigen, den alle einmütig als unbefriedigend erklären. Im praktischen Ergebnis bedeutet die Theorie der produktivitätsorientierten Lohnpolitik den Verzicht auf Lohnpolitik überhaupt; bei Lichte betrachtet, ist sie nichts anderes als eine Indexformel, die an die Stelle aktiver Politik einen Automatismus setzt."
Oswald von Nell-Breuning (1961): Lohnpolitik in gesamtwirtschaftlicher Verantwortung
in: Joseph Höffner/Alfred Verdross/Francesco Vito (Hrsg.), Naturordnung in Gesellschaft Staat Wirtschaft, Innsbruck u.a.: Tyrolla, S. 673.
"Der erste (und auch heute noch augenfälligste) Zweck der Gewerkschaften war es, die Selbsthilfeorganisation der Arbeitnehmer gegen die einseitige Herrschaft der Arbeitgeber über Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen zu sein. Die als Einzelne ohnmächtigen Arbeitnehmer müssen sich in der Gewerkschaft zu einer geschlossenen Partei des Arbeitsmarktes zusammenschließen, wenn sie die Möglichkeit haben wollen, einen größeren Teil des Sozialproduktes dem Lohn- und Gehaltsfonds zuzuführen, also sich durch höhere Löhne und Gehälter einen besseren Lebensstandard zu sichern und auch die übrigen Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitszeit und Urlaub) zugunsten der Arbeitnehmer ihrer Kontrolle zu unterstellen."
Wolfgang Abendroth
Die deutschen Gewerkschaften. Weg demokratischer Integration, Heidelberg 1954.
"Die Lohnpolitik darf nicht allein dynamisch sein, sie muß auch expansiv sein . Sie darf sich nicht damit begnügen, den Reallohn an die volkswirtschaftliche Entwicklung nachträglich heranzubringen. Sie muß versuchen, die wirtschaftliche Expansion von sich aus zu forcieren, um durch bewusste Kaufkraftsteigerung eine Ausweitung der Produktion herauszufordern. Die USA sind hierfür ein lehrreiches Vorbild. Eine expansive Lohnpolitik ist zugleich das wirksamste Mittel, die Betriebe laufend zu höherer Rationalität anzuhalten, die Produktivität zu steigern und damit die Lohnexpansion zu fundamentieren."
Viktor Agartz, Expansive Lohnpolitik
in: V. Agartz, Wirtschaft, Lohn, Gewerkschaft. Ausgewählte Schriften - mit einem Plädoyer von Gustav Heinemann, hrsg. von V. Gransow, M. Krätke, Berlin 1982. (Original in: Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften, Heft 12 /1953, S. 245-247.)
"Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. ... Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten."
Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949, § 4 Wirkung der Rechtsnormen (Auszug)
"Dass wir heute annähernd fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland zählen, ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass unsere Wirtschaft in besonders großem Umfange durch gesetzliche Eingriffe des Staates gefesselt ist und daher nicht die genügende Wendigkeit besitzt, um sich den Schwankungen der Konjunktur mit der erforderlichen Schnelligkeit anzupassen. Als besonders verhängnisvoll hat sich auf dem Gebiete des Tarifvertragsrechtes die Unabdingbarkeit des Tarifvertrages, d.h. der Ausschluss abweichender Vereinbarungen und dessen Festhaltung durch die Gewerkschaften erwiesen."
Deutsche Arbeitgeber-Zeitung vom 22. März 1931
"Die freie Wirtschaft"
Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf Euren Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein.
Wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Wir diktieren die Preise und die Verträge -
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Ihr braucht keine Heime für Eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet Euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehen -
Wollt Ihr wohl auseinandergehen!
Ihr sagt: Die Wirtschaft müsse bestehen.
Eine schöne Wirtschaft! Für wen? Für wen?
Das laufende Band, das sich weiterschiebt,
liefert Waren für Kunden, die es nicht gibt.
Ihr habt durch Entlassung und Lohnabzug sacht
Eure eigene Kundschaft kaputtgemacht.
Denn Deutschland besteht -
Millionäre sind selten -
aus Arbeitern und aus Angestellten!
Und Eure Bilanz zeigt mit einem Male
einen Saldo mortale.
Während Millionen stempeln gehen.
Die wissen, für wen!
Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Rowohlt 1995.
"In der ersten Zeit kämpfen die organisierten Arbeiter für höhere Geldlöhne. Anstatt 10 Dollar pro Woche versuchten sei 11 Dollar pro Woche zu erreichen und im nächsten Jahre vielleicht 12 Dollar. Einen zweite Periode der Lohnpolitik begann, als die organisierten Arbeiter erkannten, dass der Geldbetrag keine erschöpfende Maßeinheit für die Entscheidung sein, ob ein Lohn hoch oder niedrig sei, und dass es notwendig sei, Geldlöhne in Beziehung zu preisen zu bringen. Die organisierten Arbeiter kämpfen dann für höhere Reallöhne. ... Ganz augenscheinliche Veränderungen in der Produktion der Arbeit veranlassen heute die organisierten Arbeiter, ihre Lohnpolitik wieder zu erweitern. Vom wirtschaftlichen Standpunkt verbessern höhere Geldlöhne die Lage der Arbeiter nicht, wenn die Preise sich mehr als die Geldlöhne erhöhen. Vom sozialen Standpunkt verbessern höhere Reallöhne die Lage der Arbeiter nicht, wenn die Produktivität sich mehr erhöht als die Reallöhne. ... Der Amerikanische Gewerkschaftsbund ist die erste Arbeiterorganisation der Welt, die die Wichtigkeit des Faktors Produktivität in der wirtschaftlichen Gesellschaft erkannt hat. Er kämpft daher nicht mehr nur für höhere Geldlöhne; er kämpft nicht mehr nur für höherer Reallöhne; er kämpft für Löhne, die sich erhöhen, gemessen nach den Preisen und der Produktivität."
William Green, Präsident des Amerikanischen Gewerkschaftsbundes AFL
in: American Federation, August 1927
"Natürlich kann es sich für die Gewerkschaften bei dieser lohnpolitischen Erkenntnis nicht darum handeln, im einzelnen Falle, etwa für jede Industrie oder gar für jeden Betrieb auszurechnen, wie hoch der Nominallohn entsprechend dem Grade der Produktivität sein muß. Vielmehr kommt es darauf an, die ökonomischen Zusammenhänge der Lohnfrage richtig zu begreifen und das volkswirtschaftliche Recht der Arbeiterklasse zu erkennen, bei steigender Produktivität in der Gesamtwirtschaft auch mindestens im gleichen Tempo höhere Reallöhne und Erweiterung des Lebensstandards beanspruchen zu können."
Fritz Tarnow, Eine Lohntheorie der amerikanischen Gewerkschaften
in: Gewerkschaftszeitung. Organ des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-Bundes, Nr. 36, 37. Jahrgang, 3. September 1927, S. 494.
"Die Tarifverträge sind das Ergebnis der gewerkschaftlichen Kämpfe für die Anerkennung der Gleichberechtigung der Arbeiter bei der Festsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Bisher hat erst ein geringer Teil der Unternehmen, und zwar sehr widerwillig und der Not gehorchend, das gleiche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter anerkannt. Nur dem Drucke der gewerkschaftlichen Organisation folgend, fügt dieser Teil der Arbeitgeber sich der neuzeitlichen Entwicklung. Die Mehrzahl der Unternehmer, besonders in der Großindustrie, lehnt die Gleichberechtigung der Arbeiter und damit den Abschluß von Tarifverträgen noch immer ab. Daraus ergibt sich für die Gewerkschaften die Notwendigkeit, in erster Linie und mit allen Kräften diesen Kampf durchzufechten."
Resolution der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften zu Tarifverträgen, 1914
Quelle: Paul Barthel, Handbuch der deutschen Gewerkschaftskongresse, Dresden 1916, S. 443 f. (Zit. nach: Blanke u.a. (Hrsg.), Kollektives Arbeitsrecht Band 1, Reinbek 1975, S. 132)
"Die Idee, durch die Einstellung der Arbeit die Gewährung politischer Forderungen zu erzwingen, ist auf den ersten Blick eine so verlockende, daß man sich nicht verwundern kann, sie in der Geschichte der modernen Demokratie immer wieder auftauchen zu sehen."
Eduard Bernstein Der Strike als politisches Kampfmittel
in: Die Neue Zeit, XII, 1, 1893/94, S. 689, zitiert nach: H.-G. Haupt u.a. (Hrsg.), Politischer Streik, Frankfurt am Main 1981, S. 13.
"Die Löhne werden in jedem Fall durch Feilschen festgesetzt, und beim Feilschen hat der, welcher am längsten und wirksamsten Widerstand leistet, die größte Aussicht, mehr zu erhalten, als im zusteht. Wenn der einzelne Arbeiter mit dem Kapitalisten handelseins zu werden versucht, wird er leicht geschlagen und muß sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben; wenn aber die Arbeiter eines ganzen Gewerbes eine mächtige Organisation bilden, unter sich einen Fonds sammeln, um imstande zu sein, den Unternehmen nötigenfalls die Stirn zu bieten, und sich dadurch in die Lage versetzen, als eine Macht mit den Unternehmern zu verhandeln, dann, und nur dann, haben die Arbeiter Aussicht, wenigstens das bißchen zu erhalten, das bei der ökonomischen Struktur der gegenwärtigen Gesellschaft als ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk bezeichnet werden kann."
Friedrich Engels über die ökonomische und politische Funktion der Gewerkschaften, 1881
Das Lohnsystem, Quelle: Leitartikel für "The Labour Standard" 1881, Marx/Engels, Werke, Bd. 19, Berlin 1969, S. 252 f.(zit. nach: Blanke u.a. (Hrsg.), Kollektives Arbeitsrecht Band 1, Reinbek 1975, S. 52)
Arbeiter, die "striken" zum Zwecke der Lohnerhöhung, legen damit das Bekenntnis ab, dass ihnen der wirthschaftliche Vorgang der Lohnbestimmung noch unbekannt, noch unverständlich ist. Die denselben bestimmenden wirthschaftlichen Naturgesetze bezeichnen den Strike behufs Lohnerhöhung - mag diese nun direkt oder indirect, wie durch Verkürzung der Arbeitszeit u.s.w., bezweckt werden, ja jeden Strike als unverständig, erfolg- und wirkungslos, überflüssig und dabei noch schädlich für den eigenen Wohlstand des Arbeiters. - Denn ein Strike um des Lohnes willen [...] ist ein ebenso gewaltsamer als unverständiger Eingriff in den natürlichen Zusammenhang, in die organische Entwicklung der gesellschaftlichen Grund- und der wirthschaftlichen Naturgesetze."
"Arbeiter-Coalition und Strike in ihrer tathsächlichen und wirtschaftlichen Berechtigung",
in: Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volkswirtschaft, IX, 1870, S. 25-30
zitiert nach: L. Machtan, "Giebt es kein Preservativ, um diese wirthschaftliche Cholera uns vom Halse zu halten?" - Unternehmer, bürgerliche Öffentlichkeit und preußische Regierung gegenüber der ersten großen Streikwelle in Deutschland (1869-1874), in: H.-G. Haupt u.a. (Hrsg.), Politischer Streik, Frankfurt am Main 1981, S. 58
heißt nichts anderes, als über die notwendige Folge und Ursache höchster Prosperität des Landes jammern."
Adam Smith
Der Wohlstand der Nationen, Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen
London 1789 (München 1978)